Schon seit mehreren Wochenenden plane ich, meine Wanderung am 02er in Obertauern fortzusetzen, doch entweder stehen Firmentermine oder Schlechtwetter im Weg.
Diese Woche soll es endlich klappen, das einzige Fragezeichen ist die Schneelage im Zielgebiet.
Oft habe ich in den letzten Wochen die Webcams von Obertauern sowie Fotos in Tourenberichten aus der weiteren Umgebung studiert. Ein halbwegs aktuelles Foto aus dem Gebiet der Franz-Fischer-Hütte (meinem ersten Nachtquartier) zeigt zwar noch viele Schneeflecken, aber der apere Anteil nimmt in der Landschaft schon überhand und lässt die Entscheidung zu Gunsten der Tour fallen.
Tag 23: Obertauern – Franz-Fischer-Hütte
Der Freitag wird freigenommen, ich breche früh auf, will den ersten Bus von Radstadt (7:38 ab Bahnhof) nach Obertauern erreichen, der mich um 8:05 Uhr auf der Passhöhe ausspuckt. Mit einem Ein-Euro-Gäste-Ticket ist die Fahrt sehr günstig. Das Angebot gilt angeblich die ganze Saison.
Der erste Abschnitt der heutigen Etappe führt mich entlang der “Südkette” von Hohentauern. Mit viel Auf und Ab führt der Weg hinauf bis auf etwa 2100m Seehöhe.
Hier auf der Nordseite der Berge befinden sich noch viele kleine und große Schneefelder, die mich zwar etwas bremsen aber weiter kein Problem darstellen. Der Weg beginnt bald wieder in Richtung Südwiener Hütte zu fallen, doch dorthin werde ich nicht absteigen, das wären verschenkte Höhenmeter…
Ein Abschneider bringt mich zum von der Hütte wieder heraufführenden Weg. Unter dem Höllkogel vorbei führt der Weg in das Windsfeld, einem schönen und sehr weitläufigen Sattel zwischen Flachauwinkel und dem Tal des Landschfeldbachs.
Als optischer Störenfried fungiert jedoch eine Hochspannungsleitung, die parallel zum Tauerntunnel hier den Alpenhauptkamm quert. Ich fühle mich sehr an die Gleinalm erinnert: unten durch der Autobahntunnel oben drüber die Stromautobahn.
Sanft steigt der Verlauf des Zentralalpenwegs weiter zur Taferlscharte mit dem namensgebenden “Taferl” (einem Bildstock).
Ein wenig war ich im Vorfeld über den jenseitigen, steilen Abstieg aus der Taferlscharte besorgt, bei Schneelage könnte dieser eventuell heikel werden. Aber erst mal Pause!
Doch die Südwestausrichtung des Abstiegs bringt die erhoffte Schneefreiheit des unmittelbaren Abstiegs. Ein Blick auf den Weiterweg zeigt aber, dass die Schneefelder eher mehr als weniger werden.
Den Tauerntunnel unter meinen Füßen überquere ich nahe der Küßlerhiasalm. Das erkennt man auch an der Oberfläche, da hier die Ablufttürme des Tunnels stehen. Man riecht und hört aber nix, vielleicht weil ich doch in einigem Abstand daran vorbei gehe (obwohl ich aus technischer Neugier durchaus einen Abstecher in Betracht ziehe…)
Hier finde ich übrigens das erste Mal heute brauchbares Trinkwasser vor, der erste Teil bis ins Windfeld verläuft im Kalkfels und lässt die Bäche versickern, danach waren die Bäche noch unter Schneefeldern versteckt. Aber hier kann ich endlich auftanken.
Wer das Bankerl beim Rothenwändersee aufgestellt hat, dem sei hiermit ein Orden verliehen! Bei prächtiger Aussicht lege ich die nächste (kurze) Pause ein. Jausnen, trinken, Sonnencreme nachschmieren…
Leicht fallend geht es nun hinunter zur schon bewirtschafteten Jakoberalm. Da das Ende der Tagesetappe mittlerweile absehbar ist, kehre ich kurz ein und mache mich dann an den letzten Anstieg…
…der sich wieder mal länger zieht als gedacht. Die noch teilweise gefrorenen Egerseen (Fotomotiv) und mehrere Schneefelder (müüüühsam) halten mich immer wieder auf. Die Franz-Fischer-Hütte erreiche ich dann gerade in der angegeben Gehzeit – 1:45 Std. ab Jakoberalm.
Die Hütte selbst ist (seit einigen Jahren) geschlossen, doch der Winterraum mit sechs Lagerbetten ist offen, jedoch in recht schlechtem Zustand. Die unteren Matratzen sind ziemlich verdreckt (Mäusekot…), die oberen immerhin “nur” ein wenig feucht. Daher breite ich meinen Biwaksack als Unterlage aus und schlafe im eigenen Schlafsack. So hab ich ihn wenigstens nicht umsonst mitgetragen.
Am nächsten Tag erzählt mir der Wirt der Tappenkarseehütte, dass die Franz-Fischer-Hütte vor dem Abriss steht (im Internet findet man die Information, sie wäre wegen Renovierung auf unbestimmte Zeit geschlossen, anscheinend sind diese Pläne jedoch nicht mehr aktuell). Schade um die Hütte, die Lage ist sehr gut.
Update: Die Franz-Fischer-Hütte wurde mittlerweile neu errichtet und ist seit Sommer 2014 wieder geöffnet!
Bilanz des ersten Tages: 24.2 km, 1500 Hm, 11 Std. Langsamer vorangekommen als gedacht. Der Schnee ist schuld! Und der schwere Rucksack. Oder vielleicht doch die Kondition?
Tag 24: Franz-Fischer-Hütte – Gamskarkogel
Geschlafen habe ich erstaunlich gut, doch schon um 6 Uhr breche ich auf, schließlich möchte ich schnellstens zu einem Frühstück kommen.
Der Charakter des Wegs ändert sich bis zur Weißgrubenscharte nur wenig. Und das ist gut so.
Aber in der Scharte scheine ich in eine andere Welt und Jahreszeit zu treten. Schneereste am Weg gibt es nur mehr selten und der Tappenkarsee ist schon gänzlich eisfrei. Auch ein wunderschöner Blick zum Großglockner tut sich auf.
Ich eile hinunter zur Tappenkarseehütte, wo ich eine große Portion Schinken mit Ei serviert bekomme. Hier treffe ich auch die ersten Wanderer auf meiner Tour, bisher war es sehr einsam…
Hier, bei der Tappenkarseehütte, teilt sich auch der Zentralalpenweg in zwei Varianten: Die Hauptvariante führt nach Süden, vorbei an Ankogel, Sonnblick, Großglockner, Großvenediger und weist einige Gletscheretappen auf. Die gletscherfreie Variante 02A führt ins Gasteinertal, von Zell/See hinüber ins Zillertal und weiter.
Auch wenn die Hauptvariante durch sehr wohlklingende Gebiete führt (aber auch lange Talein-, Talaushatscher beinhaltet) werde ich (zumindest bis Ischgl) die Nebenvariante wählen. Das lässt mir die Freiheit, den Weg auch alleine zu gehen, wenn sich gerade keine Seilschaft für die Gletscheretappen findet.
02A lautet also ab sofort meine Markierung. Vielleicht ist der Hauptweg ja eine Option für den Rückweg?
Mein bisheriger Begleiter, der erste Band des OeAV-Zentralpenweg-Führers “Von der Ungarischen Pforte in die Niederen Tauern”, bekommt nun einen Ehrenplatz – er geht mittlerweile auch schon etwas aus dem Leim. Ab sofort ist Band II “Von den Niederen Tauern zum Rätikon und nach Feldkirch” gefragt, der 43 Tagesetappen verspricht. (Für die 30 Etappen aus Band I habe ich übrigens 22 Tage gebraucht.)
Ein kurzer Aufstieg bis zum Draugsteintörl ist noch nötig, dann beginnt der lange und streckenweise sehr steile Abstieg nach Hüttschlag im Großarltal.
Bin ich der Früh noch durch Schneefelder gewandert, schlägt nun die Hitze voll zu. Da ich auch nicht weiss, ob mein Tagesziel, die Bad Gasteiner Hütte schon geöffnet hat oder ich wieder im Winterraum Selbstversorger bin, mache ich mich auf die Suche nach einem Gasthaus.
In Hüttschlag lande ich im Hotel-Restaurant Almrösl, wo es angesichts geschlossener Küche anscheinend “nur eine Brotzeit” gibt.
Doch als ich dem Wirt eindringlich mein Verlangen nach einem Grillteller schildere (ich phantasiere tatsächlich schon den ganzen Abstieg von einem solchen Fleischfest und bin entzückt, ihn auch auf der Speisekarte zu finden) erbarmt er sich meiner, und bald habe ich das Objekt der Begierde vor mir stehen!
Der Tag ist gerettet, da will ich dann auch über den doch recht stolzen Preis hinwegsehen…
Achja, fast hätte ich’s vergessen: Während ich beim Wirt meinen Grillteller verdrücke, sollte Orotl mit dem Postbus ankommen – nach all den Ankündigungen bei den bisherigen Etappen will er nun tatsächlich ein Stück am 02er mitwandern.
Doch wer den Orotl kennt, der ahnt: Es bleibt beim bloßen Ankündigungsalpinismus! Bus kommt, Orotl nicht. Grmbl!
So mache ich mich um 14 Uhr alleine an den langen – immerhin muss ich von 1030m auf 2467m – Anstieg auf den Gamskarkogel.
Die Niederen Tauern, die ich seit Knittelfeld durchwandere, verlasse ich hier. Der kommende Gipfel gehört zu den Ausläufern der Ankogelgruppe, somit streife ich die Hohen Tauern an ihrem Nordrand.
Während ich höher und höher komme (und die Temperaturen langsam wieder in angenehmere Bereiche vordringen) frage ich mich, ob ich mich lieber auf die Einsamkeit einer unbewirtschafteten Hütte oder die Vorzüge einer geöffneten warmen Küche freuen soll. Mit dem was mich erwartet, rechne ich ehrlich gesagt nicht…
Schon aus der Tofernscharte sehe ich immer wieder Leute auf der Schneewechte am Gipfel des Gamskarkogels, das bedeutet wohl: die Hütte ist offen! Als ich ankomme baut gerade ein kleines Grüppchen ein Sonnwendfeuer auf – meinen Einspruch, es wäre doch noch ein paar Tage zu früh, nicht gelten lassend.
Schnell sind alle eingeteilt (ich auch) irgendwelche Dinge von hier nach da zu tragen, die Vorbereitungen sind in vollem Gange.
Nicht nur ein Holzhaufen dient als Sonnwendfeuer, auch Fackeln (in Form großer Wachsklötze) werden über ganze Bergrücken verteilt, um diese später zu erleuchten. Und das nicht nur auf “unserem” Hügel…
Während ich am Gipfelbankerl sitze sehe ich einer Schafherde beim Abendmahl zu. Bis drei Schafe plötzlich auf mich zustürmen. Zu spät behirne ich, worauf sie aus sind: Salz! Von wegen streicheln…
Schon knutscht eines an meinem Knie, und das noch dazu recht unsanft. Bevor ich noch erklärungsbedürftige bleibende Schäden davontrage, ergreife ich die Flucht. Doch es dauert ein Weilchen, bis ich den Wollknäuel klar machen kann, dass ich an dieser Art Anmache nicht interessiert bin.
Nach dem Sonnenuntergang wird ausgeschwärmt, um die Fackeln zu zünden, bald “brennen” alle Berge in der Umgebung. Schließlich ist auch das große Feuer dran!
Es wird gesungen, über das Feuer gesprungen, die wunderbaren Ausblicke werden genossen. So merke ich gar nicht, wie die Zeit vergeht. Eigentlich wollte ich nach dem anstrengenden Tag früh schlafen gehen, dann wird es doch halb zwei… Ein Video der Feier gibt’s hier.
Bilanz des zweiten Tages: 30.1 km, 2200 Hm, 12:50 Std. Vielen Dank an alle Beteiligten für diese stimmungsvolle Feier!
Tag 25: Abstieg nach Bad Hofgastein
Heute geht’s nur mehr “runter”, um 12:30 Uhr möchte ich einen Zug zurück nach Radstadt erwischen.
Vorbei an der Rastötzenalm geht es abwechselnd auf Forststraßen und Wanderwegen bis hinunter nach Bad Hofgastein.
Ins Ortszentrum führt mich der Weg nicht, vorbei am Wasserfall des Kirchbachs geht es im Hang mit eingestreuten kleineren Gegensteigungen in Richtung Bahnhof, den letzten Kilometer dann ganz flach entlang der Gasteiner Ache.
Den Bahnhof erreiche ich 50 Minuten “zu früh”, aber im kühlen Warteraum lässt es sich aushalten. Jenseits der Gleise sehe ich schon die Wegweiser für die nächste Etappe (die mich in zwei oder drei Tagen nach Zell/See bringen wird). Schnee wird dann kein Thema mehr sein.
Bilanz des dritten Tages: 11.5 km, 50 Hm, 3:20 Std. Im Vergleich zu den ersten beiden Tagen gar nicht der Rede wert…
Fazit
In Summe waren es 65.8 km, 2750 Hm und 27 Std. Gehzeit. Einer der schönsten Abschnitte am Zentralalpenweg bisher, wie ich finde! Eine andere Etappenaufteilung (mit Übernachtung bei der Jakoberalm und in Hüttschlag) wäre sinnvoller gewesen. Allerdings hätte ich dann die Sonnwendfeier verpasst.
Den Zeitpunkt für die Tour dürfte ich gut erwischt haben. Ein, zwei Wochen früher wäre wohl noch zuviel Schnee gewesen.
wir haben glaube ich die gleichen interessen (berge und fotografieren.
tolle aufnahmen!!
wollte immer schon bei sonnwend am gamskarkogel sein(naja als wiener ist es sich noch nicht ausgegangen).
war richard (hüttenwirt) auch dabei?
habe u.a. auch einen clip über die bad gasteinerhütte gemacht.
@Fritz: Ja, klar war der Ritchie auch dabei. Er hat das Sonnwendfeuer super organisiert und alle (mehr oder weniger) freiwilligen Helfer koordiniert!
War echt ein Spitzenerlebnis! Zum Glück musste ich am nächsten Tag nur mehr nach Hofgastein absteigen…
Hallo.
Möchte heuer Deine Tour nachgehen, jedoch nur bis zur Jakoberalm.
Meine Frage (da ich kein erfahrener Alpinist bin) ist der Weg markiert?
Weiters Deine Abkürzung od. Abschneider (nicht zur Altwiener Hütte) ist dieser leicht zu finden?
Bitte um Info.
Danke Walter
Ja, der Weg ist markiert und die wesentlichen Abzweigungen sind beschildert. Wanderkarte mitnehmen ist trotzdem ein Muss! Der Weg kann den ganzen Juni hinein (und später) unter Schneefeldern versteckt sein. Ich bin die Etappe am 15. Juni gegangen und die Fotos hast du ja gesehen…
Ich glaube mich auch zu erinnern, dass bei der besagten Abkürzung ein Wegweiser stand – auf der Karte ist jedenfalls einer eingezeichnet. Übrigens Südwiener, nicht Altwiener!
Bitte nicht unterschätzen, auch bis zur Jakoberalm ist das ein anstrengendes Stück Weg! Aber wirklich wunderschön 😉