Erst sechs Tage ist es her, dass wir zum Abschluss der letzten Etappe mit knurrenden Mägen auf der Suche nach einem geöffneten Restaurant durch den kleinen Inntaler Ort Prutz geirrt sind. Heute habe ich hier die Qual der Wahl: Während mich das Taxi am Hauptplatz abliefert, öffnen die hiesigen Gasthöfe ihre Pforten und die Köche blasen zur kulinarischen Happy Hour.
Doch erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Die kurze Etappe hinauf nach Serfaus wird das leibliche Wohl noch warten müssen.
Tag 43: Prutz – Serfaus
Auf dem Inntal-Radweg marschiere ich von Prutz nach Ried wo ich den Inn schließlich überquere. Auf der anderen Flussseite zuerst weiter auf einer Nebenstraße entlang des Inns zum Gehöft Frauns, von wo der Weg im steilen Zick-Zack die Steilstufe hinauf zum Serfauser Feld überwindet und weiter auf einsamen Zufahrtsstraßen in den Skiort Serfaus führt, den ich nach zwei Stunden und einer halben erreiche.
So weit, so ereignislos. Heute ging es nur darum, den angebrochenen Anreisetag noch zu nützen und mir eine gute Ausgangsposition für die morgige Etappe herauszuarbeiten.
Tag 44: Serfaus – Furgler – See
Über die Zenobrücke verlasse ich Serfaus. Das nächste Ziel ist das Kölner Haus, eigentlich bequem mit der Seilbahn erreichbar. Ich nehme hingegen den Zufahrtsweg, zum Aufwärmen kommt mir die moderat steigende Schotterpiste (asphaltiert sind hier nur die Kurvenbereiche) gerade recht.
Nach einer guten Stunde kann ich mir dafür am höchsten Punkt Kölns zur Belohnung eine Erfrischung bestellen – zwar kein Kölsch, doch auch der Apfelsaft kommt in ungewohnt kleinen Behältnissen. Dem Wirt sei ins Stammbuch geschrieben: Null Komma vier is net groß!
Auch weiter ginge es mit motorisierter Unterstützung: Mich irritiert weniger, dass der Zauberteppich zwischen Hütte und Lift auch sommers in Betrieb ist, als dass er von Touristen in Bergfexausrüstung auch benutzt wird.
Ein wenig muss ich den Fortsetzung meines Weitwanderwegs suchen, aber nach einer Ehrenrunde ums Kölner Haus bin ich bald auf einem grasigen Rücken unterwegs – alleine mit hunderten Kühen.
Ab dem Furglersee steilt der Weg auf und statt Almboden ist nun Geröll die Wanderunterlage. Noch bevor ich das Furglerjoch erreiche, kann ich die Karawanen am Gipfelgrat erkennen.
Der Furgler ist einer der beliebtesten Gipfel der Samnaungruppe und auch ich möchte dort hinauf, denn mit seinen 3004 Metern ist er der letzte Gipfel jenseits der 2999 Meter-Marke, welcher von meiner Route schnell und leicht zu erreichen ist. Das Gipfelkreuz scheint bereits zum Greifen nahe.
Der Weg vom -joch zum Furgler wartet mit einigen kleinen Klettereinlagen auf, nichts desto trotz sind hier alle Generationen unterwegs: vom durchgebeutelten Kleinkind in der Rückentrage bis zur rüstigen Oma am Stock. Verständlich, denn das Panorama vom Furgler lässt sich wahrlich nicht lumpen. Nur die ganz hohen Gipfel der Ötztaler Alpen (Wildspitze, Weißkugel) schützen sich heute vor allzu neugierigen Blicken mit einem Wolkenhut.
Wieder vom Furgler abgestiegen wende ich mich dem Medrigjoch zu. Schnell wird es wärmer, nicht nur weil ich an Höhe verliere, auch die Wolken des Vormittags haben sich verzogen. Jenseits des Medrigjochs halte ich eine kühlende Rast im steinigen Bett des Schallerbachs. Trinken. Sitzen. Schauen. Wenig später wiederhole ich das Procedere bei der Ascher Hütte.
Ein paar Gehminuten nach der erneuten Querung des Schallerbachs beginnt der Tag verschütt’ zu gehen. Habe ich mich schon bei der Ascher Hütte über den noch nicht in meiner Karte verzeichneten Seilbahnneubau gewundert, erreicht der Weg nun auch noch eine frisch angelegte Skipiste, über die der Weg kerzengerade nach unten sticht.
Man hat zwar versucht, mit eingeschlagenen rot-weiß-rote Markierungspflöcke einen abwechslungsreichen Zick-Zack-Kurs auszustecken, aber welcher Wanderer hält sich auf diesem frisch planierten braunen Band schon gerne länger auf als nötig? Die ausgetretene Spur bleibt der Falllinie treu.
Bei der monumentalen Talstation der Versingbahn folgt der nächste Tiefschlag: Den parallel zum Schallerbach ins Tal führenden Weg verbietet mir ein rotes Schild. Als Alternative steht lediglich die Zufahrtsstraße zur Verfügung, weit ausholend ringt sie mir viele Extra-Kilometer ab.
Man sagt, der erste Eindruck wäre jener, der zählt. In diesem Sinne: ein überragend schlechter Start für das Paznauntal! Zahlungskräftigen Skitouristen wird hier eindeutig der Vorzug gegeben, als wandernder Sommergast darf man sich immerhin toleriert fühlen.
Und eins geht noch: Bei einer Abzweigung betrete ich die falsche Forststraße, es regnet weitere Bonuskilometer. Zugegeben, da kann jetzt kein Paznauntaler Touristiker etwas dafür. In meinem Frust kürze ich sogar freiwillig über eine weitere Skipiste ab, meinen Knien ist das jetzt eh schon egal.
Immerhin komme ich auf meiner Route direkt in den Talort See, anstatt den Umweg über den Ortsteil Schaller gehen zu müssen. Bei der ersten Gelegenheit buche ich mich in ein Hotel-Pizzeria-B&B ein. Um meine Bedürfnisse zu stillen, muss ich für den Rest des Tages nur mehr auf der Strecke zwischen Zimmer und Gastraum pendeln.
Tag 45: See – Ischgl
Einen Bus muss ich erwischen. Der mich zum Zug bringt. Der mich zu einem weiteren Zug bringt. Der mich dann nach Hause bringt. Die Motivation für den heutigen Tag ist somit klar: Kann ich Ischgl bis 14:12 Uhr erreichen, werde ich am Abend in meinem eigenen Bett einschlafen!
Ohnehin muss ich mich auf eine “Verbindungsetappe” einstellen. 18 Kilometer und 6 Stunden am Alten Paznauntalweg prognostiziert mein Wanderführer. Da passt es gut, dass ich genau um 8:12 Uhr loskomme.
Ich rechne schon mit endlosen Asphaltkilometern, doch gleich zu Beginn zeigt der Weg, was er kann: fast ausnahmslos schöne Wiesen- und Waldwege, erst vor dem Ort Kappl werde ich wieder mit befestigten Straßen konfrontiert. Wer dort übernachten möchte, kann seine Planungen flexibel halten, auf einer Strecke von etwa 5 Kilometern kommen die Unterkunftsmöglichkeiten im Minutentakt vorbei.
Und auch dem befürchteten Grabenhatscher-Aspekt wird der Talweg nicht gerecht, stellenweise blickt man auf die 150 Meter tiefer fließende Trisanna hinunter.
Auch der zweite Abschnitt von Kappl nach Ischgl gefällt. Zwar ist der Straßenanteil höher, aber an der aussichtsreichen Hanglage ändert sich wenig. So marschiere ich zufrieden nach Westen und bin trotz der gestrigen Erlebnisse wieder mit dem Paznauntal versöhnt. Bis ich vor den Toren Ischgls stehe…
Und peng! knallt es mir unvermittelt die Baustellen der Bettenburgen vor die Nase. Auch hier gilt: In der Wintersaison mit Schneedecke und Weihnachtslichterketten bis Ostern mag das alles adrett aussehen, aber im Sommer ist hier ein großer Bogen wohl der beste Tourenvorschlag. Immerhin bleiben mir beim Marsch durch den Dorftunnel die meisten Baustellen verborgen. Flottest mache ich mich auf die Suche nach der Bushaltestelle. Weg von hier!
Ich vergebe 10 von 10 Betonklötzen.
Mit dieser Tour durch die Samnaungruppe und das Paznauntal konnte ich die noch ausstehende Reststrecke am Zentralalpenweg auf unter eine Woche drücken. Schon die nächste Tagesetappe – am Heilbronner Höhenweg – wird mich bereits nach Vorarlberg führen, das sechste und letzte Bundesland auf diesem Weitwanderweg.
Fazit: Auch diesmal hatte der Weg viele wunderschöne Abschnitte zu bieten. Doch die Tourismuszentren sollte man besser mit geschlossenen Augen durchtauchen. Gut und ernst gemeinter Eigenwerbungs-Ratschlag: Bevor ihr euch hier ein Plätzchen für euren Sommerurlaub sucht, seht euch doch bitte lieber in der Steiermark um, selbst in unseren Tourismushochburgen sind mir solche Bausünden bisher nicht untergekommen.
tja, seit “damals”, meiner jugend, als man den gepatschgletscher zum sommerskigebiet machte, als man den seilbahnausbau auf der komperdellalm begann und ladis und fiss per seilbahn verbunden wurde, habe ich keinen schritt mehr auf diesen boden gesetzt. ein boden auf dem ich viel zeit meiner jugend verbrachte, wo ich beim bauern arbeitete um mir meinen sommerwanderbergsteigurlaub zu finanzieren, in ladis, im radurschltal zirbentotschn brockend und sonstwo. schad’, aber der zug ist abgefahren und wird sobald nicht mehr fahrplanmäßig halten…
Tja, die gute alte Zeit als Bergbauernbub. Die kommt sicher nimmer z’ruck… 😉
was den bergbauernbub angeht, hast nicht ganz unrecht – aber im winter mit den skischülerinnen (leider nicht nur -innen) am schlepplift fahren und dafür am nachmittag gratisfahren gab’s auch – um den “skilehrermythos” auch noch zu strapazieren 🙂