Sieben offizielle Wanderwege führen nach Mariazell, außer den beiden westlichen Bundesländern hat jedes seinen “eigenen” Weg in den steirischen Wallfahrtsort. Ich nehme mich diesmal der Kärntner Route auf dem Abschnitt von Klagenfurt nach Griffen an.
Leaving Klagenfurt lautet also mein erster Auftrag, nachdem mich die städtische Buslinie 42 in Annabichl in die triste, graue Novemberstimmung geworfen hat. Kaum bin ich auf Tour macht der Monat plötzlich seinem Ruf alle Ehre!
So spaziere ich fest in Jacke und Wollhut gewickelt durch ein Rapsfeld dem Horizont entgegen.
Wenn seinerzeit Klein-Gert an einer Weitwanderwegmarkierung vorbeigekommen ist hat sein Papa immer gesagt: Schau, da geht der XY-Weg! Worum es dabei ganz genau geht, hat der gute Knabe damals wohl noch nicht verstanden. Und doch hat sich eingeprägt, dass es sich dabei irgendwie um etwas Besonderes handeln musste.
Noch heute freue ich mich über die quadratischen Täfelchen, oft so sehr, dass ich die Kamera kaum ruhig halten kann.
Hochalpines Flair setzen die Mariazellerwege nur sparsam ein, beim gemütlichen Wanderflow sind sie jedoch dick dabei. Sanft leitet mich der 06er hier über die Schulter des Maria Saaler Berges.
Der gottesfürchtigste Weitwanderer unter der Hochnebeldecke zu sein, das wirft man mir gemeinhin nicht vor. Und trotzdem ertappe ich mich heute dabei, wie ich mich gleich als vierfacher Pilger verdinge.
Mein Weg in rot-weiß-rot führt zur M’zeller Gnadenmutter, der blau-weiss-grüne Slomšek-Pilgerweg zur Wirkungsstätte des gleichnamigen Bischofs im Lavanttal. Und die Türmchen des Doms zu Gurk symbolisieren das “H” der Hl. Hemma ebendort. Hier nicht ins Bild zu bringen, weil in die Gegenrichtung verlaufend: der Kärntner Marienpilgerweg.
Doch genug der Heiligkeit, zurück zu den profanen Dingen des Weitwanderns. Das schmucke G’stauderwerk gehört zum Stutterer Moos, welches eine Weile die linke Flanke meines Weges ziert.
Kreuze sonder Zahl, wie hier ganz klein unter den ausladenden Armen des großen Baums, zeugen von den eifrigen Pilgern, welche seit Jahrhunderten gen Erlösung ziehen. Die Anzahl der mir heute begegnenden Wanderer jedoch: 0.
Die Blätter sind schon meist gefallen, trotzdem zeigt sich die Landschaft farbenfroher als man es im November erwarten dürfte.
Wer ganz genau schaut, findet auch hier ein kleines Kreuz inmitten der Bäumchen. Sein Plus: Eine Rastbank an seinem Fuße! Ein Griff in meinen Jausensack lässt mich Milka-Nuss an holländischem Gouda hervorziehen. Die eigenwillige, doch sehr kalorienreiche Pilgernahrung gibt mir Kraft für den bevorstehenden Gipfelsturm.
Magdalensberg auf 12 Uhr! Nicht nur, dass gerade die Mittagsglocken erschallen, auch mein nächstes Ziel befindet sich schnurstracks voraus.
Sollten mich auf den letzten Metern die Kräfte verlassen, der Zaun auf den Magdalensberg gäbe mir Halt und Unterstützung.
Oft warnt man, wie schnell das Wetter umschlagen kann auf den hohen Bergen. Auch heute erweist es sich als instabil: Kaum erreiche ich den Gipfel lösen sich die letzten Wolken auf und lassen mich die mangelhafte Ausrüstung bereuen: Lichtschutzfaktor 60 habe ich nicht dabei.
Im Gipfelhaus kredenzt man mir Suppe; Hunger und auch Zeit habe ich mitgebracht.
Doch hätte ich lieber vorher den Wegweiser unter der Kirche konsultiert! Dieser flüstert mir, dass meine heutige Ankunftszeit erst lange nach dem Untergang der Sonne zu liegen kommen wird.
Wie Perlen auf der Schnur liegt eine Hügelkette zwischen mir und meinem heutigen Nachtquartier. Jede einzelne Erhebung werde ich heute noch persönlich begrüßen.
Genaue Anweisungen erwarten mancherorts das Pilgervolk. Doch ich halte jede Wette, die empfohlene Serpentine ist kein einziger ausmarschiert, die Spuren auf dem Boden sprechen da eine ganz andere Sprache.
Ein kurzer, aber nicht unbedingt hässlicher Asphaltspaziergang auf der Magdalensberger Zufahrtsstraße bringt mich zwischendurch dem Ziel näher.
Bald setze ich meine Schritte wieder auf weichere Wanderunterlagen. Der Herbst möchte bei dieser Gelegenheit auch noch einmal zeigen, was er kann.
Eine Wallfahrt ist ein äußerst beschwerliches Unterfangen, ohne Leidensdruck hat’s ja keinen Sinn. Der erfahrene Pilger kann daher aus einem Reservoir von 101 Gründen schöpfen, jederzeit eine Pause am Wegesrand einzulegen. Hier Nummer #63:
Mit dem Christophberg ist ein weiteres Zwischenziel und auch ein Wendepunkt erreicht. Die Pilger drängt’s hier zu Gebet und Einkehr, mich hingegen zum eiligen Weitermarsch.
Sitzt dem Wanderer der Sonnenuntergang im Nacken, muss er sich damit abfinden, dass seine Augen Lichtstimmungen wie diese zu ertragen haben.
Des Himmels Rot verkündet den Anfang vom Ende des Tages. Zum Glück verläuft der Weg von nun an strikt talwärts.
Rapide bergab geht’s ab nun auch mit dem Tageslicht. Als ich mich dem Ort Brückl nähere, wo die Görtschitz in die Gurk fließt, tappe ich bereits im Dunkeln.
Von der nächtlichen Dunkelheit ist am Morgen nichts mehr zu erkennen, ein leichter Nebel hat sich über das Tal gelegt.
Ein langer Aufstieg endet an einem Weidezaun. Ein Schild ermahnt mich, den dort ihr sattes Grün schmausenden Pferden nichts von meiner Jause abzugeben. Ja, wie käme ich auch dazu, ich trage doch nicht anderer Leute Mahlzeiten auf den Berg…
Mitte November, 1000 Meter Seehöhe, T-Shirt & kurze Hose. Und trotzdem hoch erfreut über jeden Schatten spendenden Baum. Wenn wir in wenigen Wochen unter Inversionswetterlagen, Schneedecken und Minusgraden ächzen, erinnern wir uns bitte an diese außergewöhnliche Zeit.
Eine Bank in Kärnten? Wir leidgeplagte Steuerzahler aus dem Rest von Österreich wissen: das kann schnell teuer werden!
Auch der Preis für dieses Exemplar ist hoch spekulativ: Wegen ihr riskiere ich, den Bus in meine Heimat zu versäumen!
Nahe dem Ort Diex gilt es aufzupassen, ein zweiter Weitwanderweg kreuzt und quert den meinen! Jetzt nur nicht falsch abbiegen, denn eh man sich’s versieht, strebt man am Eisenwurzenweg dem nördlichsten oder südlichsten Punkt Österreichs entgegen!
Auf einem anderen Mariazellerweg flanierend dachte ein Weitwanderfreund kürzlich darüber nach, welchen Typ Haus er sich in welchem Bundesland kaufen werde, sollte er sich doch einmal dazu hinreissen lassen, trotz geringer Kapitalrendite in die Anlageform “Euromillionen” zu investieren.
Hans, ich hätt’ da was für dich! Chalet Kärnten ist traumhaft gelegen, nur beim Dach wirst ein bisserl was reparieren müssen…
Hat man hier etwa ein Türl mit Seitenteilen für die Wallfahrer aufgebaut? Nach dem Eiertanz entlang der beidseitigen Hochspannungsleitung erweist sich die Pilgerschikane obendrein als Sackgasse. Nach aller Mühsal muss ich mit schweren Beinen minder elegant auf die Kuh-seitige Seite des Drahtes hüpfen.
Endlich im Angesicht der Griffner Burg erhöhe ich mein Tempo, die Bank, der Bus – ihr erinnert Euch?
Und wann geht’s weiter?
Das hab ich doch nicht nötig – denn in Mariazell da war ich schon! Die souveräne Begehung des Abschnitts von Griffen bis Graz gelang mir bereits 2009. Und von Graz nach Mariazell war 2007 ohnehin der Anfang aller meiner Weitwandereien.
Danke Gert für diesen tollen Wanderbericht. Obwohl ich zu Beginn noch dachte, ich werde im Kommentar eine Lobeshymne auf deine gelungenen Fotos schwingen, so muss ich dich leider enttäuschen. Die Fotos können nicht mit deiner Art zu schreiben mithalten. Laut schmunzelnd 😉 musste ich immer schnell die Fotos überspringen, um zu deinen nächsten Worten zu gelangen. Herrlich und weiter so!
Liebe Grüße
Steffi
Na, dann hast du einen Grund nochmal vorbeizukommen: um die Fotos zu betrachten!
Danke für die (fast schon übertrieben) lieben Worte!