Die sanften Formen des Wein- und Waldviertels bieten ohnehin ausreichend Motivation, das Gebiet an der Schnittstelle dieser beiden niederösterreichischen Landschaften zu erwandern. Wer da noch weiterer Gründe bedarf, dem werden sie spätestens nach den ersten Schritten am Wald-Weinviertel-Weg per Silbertablett serviert.
Markiert mit der Wegnummer 663 verbindet der etwa 46 km lange Weg Rosenburg im Kamptal mit der Stadt Retz im Nordwesten des Weinviertels. Beide Enden des Weges sind mit der Bahn gut zu erreichen, wir nutzen dies um ein ‘Wien-Wochenende’ bequem um zwei Wandertage zu verlängern.
Die beschauliche Fahrt mit der Kamptalbahn endet gegen 10 Uhr am Bahnhof Rosenburg. Dort ist der Einstieg in den Weg leicht zu finden, der erste Wegweiser so gut wie nicht zu verfehlen. Am “Backhaus Strasser”, welches augenscheinlich schon lange keine frischen Semmeln mehr ausgeliefert hat, rechts vorbei steigt der Weg in den Wald zur Elisabethkapelle, um uns von dort auf einem schmalen Pfad zur Brücke über die Taffa zu bringen, die wir sogleich überschreiten.
Güterwege bringen uns in den Ort Mold und von dort weiter zur Wallfahrtskirche Maria Dreieichen.
Dort zeugen eine lange Reihe verlassener Verkaufsstände und eine einsame, quietschend im Wind schaukelnde Fußgängerampel von einer vergangenen Zeit, als die Bevölkerung fromm und sonntägliches Wallfahren schicklich war. Obwohl wir auch heute den Tag des Herrn schreiben, hat lediglich ein einziger Stand seine Rollläden hochgezogen und bietet Wallfahrtsandenken feil. Während wir uns im Windschatten der großen Kirche stärken, zieht es die wenigen Besucher jedoch allesamt direkt in das nahegelegene Wirtshaus.
Auch uns zieht es, und zwar weiter: in den Hängen des Oberen Molder Bergs durchqueren wir das erste größere Waldgebiet am Wald-Weinviertel-Weg.
In Sigmundsherberg erknurren sich unsere Mägen eine weitere Pause, Wurstsemmel samt Gurkerl wollen wir in unseren Rucksäcken nicht weiter tragen. Auf der Suche nach einer Sitzgelegenheit scheitern wir grandios, speisen schließlich erneut auf den windigen Stufen der großen Ortskirche. Und bereuen schnell, zuvor leichtsinnig ein beheiztes Bankfoyer links liegen gelassen zu haben.
Wieder in Bewegung haben wir das Bruggfeld zu queren, in der weiten, offenen Landschaft tut der Wind sein Bestes uns die letzten Energien aus dem Leibe zu blasen.
Doch der Herrschaftswald breitet bald seine schützenden immergrünen Arme über uns aus, der verbleibende Rest unserer Tagesetappe wird sich nunmehr im Wald oder an dessen Rändern abspielen. Die Wolken sind mittlerweile einem beinahe makellosen blauen Himmel gewichen.
Auf den letzten Kilometern biegt der Weg scharf links hinunter ins Tal der Pulkau, welche uns den Weg zu unserem gleichnamigen Übernachtungsort weisen wird. Da die Stadtgemeinde Pulkau auf ihrer Homepage eine stattliche Anzahl von Beherbergungsbetrieben aufzuweisen hat, erschien im Vorfeld diesbezüglich keine große Planung nötig.
Meine Strategie in solchen Fällen lautet stets: Zielstrebig auf den Hauptplatz marschieren, um dort die Dienste eines Kirchenwirts oder Gasthofs zur Post in Anspruch zu nehmen.
Doch an diesem Abend stehen wir schnell mit traurigen Gesichtern da. Von einer aus ihren Gemächern herausgeklingelten Privatzimmervermieterin handeln wir uns eine schroffe Abfuhr ein. Und überhaupt: zu dieser Jahreszeit würden wir in Pulkau sowieso nichts bekommen!
Doch kein noch so ausgestorbener Ort hat Weitwanderer je auf der Straße schlafen lassen. Ein freundlicher Herr, der gerade am Hauptplatz aus dem Auto steigt, nimmt uns quasi an der Hand und begleitet uns zur Pension Kober / Goldener Löwe. Er bietet sogar an, uns nach Retz zu chauffieren, sollten wir beim Löwen nicht unterkommen.
Doch zu unserer Freude erweist sich dies als nicht nötig und wir können gleich zum nächsten Tagesordnungspunkt des Abendprogramms übergehen: Abendessen beim Heurigen!
Am Morgen bringt uns der Wald-Weinviertel- Weg von Pulkau durch die ersten Weinberge nach Leodagger.
Tipp: bei Schönwetter den Aussichtspunkt bei der Ortsendetafel von Leodagger keinesfalls links liegen lassen. Heute hätte ich mir jedoch den kurzen Abstecher sparen können, der Himmel ist trüb und gerade klopfen uns die ersten Regentropfen auf die Schulter. Nicht mehr lange und es werden dicke Schneeflocken daraus.
Hinweis: An mehreren Stellen stoßen wir auf den Vermerk, der Weg müsse im Wald mit dem klingenden Namen Totenweib ohne Markierungen begangen werden, weil diese vom Grundbesitzer entfernt wurden. Doch die Markierungskrise scheint überwunden, wir finden den Weg zwischen Weißem Kreuz und Europawarte mit ausreichend rot-weiß-roter Farbe vor.
Die Europawarte ist eine Stahlbetonfertigteilkonstruktion mit 112 außen liegenden Stufen, 15 Podesten und einer 16.5 m2 großen Aussichtsplattform auf der ein 6 m hohes Kreuz ruht.
Apropos Aussichtsplattform: An schönen Tagen bietet sich hier gewiss ein tolles Panorama, heute hat man jedoch die gleichen grauen Tapeten wie schon zuvor in Leodagger aufgezogen: njet, nada, gar nix! Und der Wind treibt uns schnell wieder in die Zone unterhalb der schützenden Baumwipfel.
Nach einer Stippvisite in Obermarkersdorf nehmen wir am Mühlsteig schon wieder Kurs auf die nächsten Weinberge. Bald erkennen wir auch zum ersten Mal am Horizont die Umrisse der Retzer Windmühle, ein sicheres Indiz, dass das Ziel des Wald-Weinviertel-Wegs langsam näher rückt.
Vorbei an unzähligen Weingärten und -kellern nähern wir uns der Windmühle durch ein sehr südländisch anmutendes Gelände. Dieses hat uns schon beim Abschluss des Thayatalwegs sehr fasziniert.
Eine Pause unter zaghaften Sonnenstrahlen geht sich noch aus, bis zur Abfahrt unseres Zuges nach Wien finden wir sogar noch Zeit, in Retz auf heißen Kakao einzukehren.
Fazit: Wir lieben solche Wege, wunderbar ruhig, ohne großes Spektakel. Gehen, Genießen und Schauen stehen im Vordergrund. Die vielen Abschnitte entlang der Waldränder mit Aussicht ins Wein- und Waldviertel haben uns besonders gefallen.
An dieser Stelle ein großes Dankeschön dem Alpenverein Horn, dessen Team sich vorbildlich um diesen Weg kümmert und auch eine Wegbeschreibung herausgegeben hat. Mit dem Thaya-Kamp-Weg 631 von Raabs nach Rosenburg haben die Horner einen weiteren Weg ähnlichen Charakters in petto, wer weiß, wie bald es uns wieder in den Norden Österreichs verschlägt…
wie jedesmal: tolle Fotos – auch bei weniger fotogenem Wetter – und stets passende Texte, die nix über- oder untertreiben! Danke! Überdies: eine Wanderung unweit von Wien… also “vor der Haustür”.
Danke für die lieben Worte!
Ich versuche schon, die Touren so wiederzugeben, wie ich sie erlebt habe. Ist natürlich nicht immer ganz einfach, aber natürlich leichter wenn’s mir – so wie hier – getaugt hat! 😉
Der Bericht ist wieder sehr nett. Das neue Design Deiner Webpage hingegen spricht mich gar nicht an: schaut nach Optimierung fuer Smartphones aus (muss das nun ueberall gemacht werden?). Den Scroll-Bar rechts kann ich nicht sehen und die Bedienung der Seite ist fuer mich viel unpraktischer geworden.
Danke für das positive wie negative Feedback.
Der Scrollbar gefällt mir selber nicht so, ich hab’ ihn jetzt mal farblich hervorgehoben.
Ich bin noch nicht sicher, ob dieses Design bleibt (grundsätzlich gefällt’s mir aber schon) aber aus einigen technischen Gründen muss bzw. möchte ich einen Wechsel vollziehen.
Auf der Hauptseite ist der Bar nun deutlich besser sichtbar, auf Unterseiten ist er halt immer noch nicht sonderlich gut sichtbar, aber vielleicht haengt das auch vom Browser und dem OS ab.
Ich schaue gerne Dein Tourenbuch an und das ist jetzt ziemlich versteckt (Plus anklicken und dann Runterscrollen). Am besten zugaenglich war dieses im alten Design noch vor der Aenderung zum Design das Du die letzten Monate benutzt hast – muss es mir wohl in die Bookmarkliste schreiben aber da die sehr lange ist, geht haendisch eintippen dann noch am schnellsten.
Bin den Weg heute fertig gegangen – es blüht, alles grün, ruhige Gegend, Asphalt im vertretbaren Ausmaß – und kein Schnee 😉 … wunderbar. Vielen Dank für den Tipp.
Gern geschehen. Magst im Gegenzug für mich den Thaya-Kamp-Weg erkunden? 😉