Ja, warum tue ich mir das eigentlich an? 24 Stunden durchgehend auf den Beinen zu sein? Zum zweiten Mal nach 2017 nehme ich heuer an einer Rund-um-Uhr Wanderung teil.
70 Kilometer lang lasse ich mich (gemeinsam mit 99 weiteren Wanderern) durch die Lipizzanerheimat führen, eine ganz neue Runde hat sich Reini von den Bärnbacher Naturfreunden für heuer ausgedacht.
Sieben Labestationen – bei denen es mal ein Essen, mal ein kühles Getränk gibt – teilen die Runde in acht gänzlich unterschiedliche Abschnitte. Unterschiedlich sowohl von der Landschaft her, vom Weg als auch von den Gedanken, die einem dabei durch den Kopf gehen.
Erstens: Bärnbach – Maria Lankowitz
Punkt 11 Uhr erfolgt der Startschuss, 200 Wandererbeine setzen sich in Bewegung. Und die 200 Wadeln tun das im Wissen, erst 70 Kilometer und weit über 2000 Höhenmeter später wieder zur Ruhe kommen zu dürfen.
Bärnbach verlassen wir nach Norden, vorwiegend auf den Spuren des Weststeirischen Jakobswegs. Allerdings nicht ohne einen Umweg über den Knobelberg zu nehmen. Diese Sonderprüfungen dienen vorwiegend zwei Zwecken: Erstens: damit sich die Wanderungen von Jahr zu Jahr möglichst unterscheiden. Und zweitens: naja, irgendwo müssen die 70 Kilometer auch zusammenkommen.
Also sind wir nach eineinhalb Stunden in Piber, wo wir in einer halben Stunde auch locker hätten sein können. Für die weißen Pferde haben wir aber keine Zeit, wir gehen weiter nach Köflach und Maria Lankowitz (Siehst den Turm? Siehst den Spitz?) wo uns in der Jugendherberge die erste Labestation erwartet.
State of Mind: Alles Easy.
Zweitens: Maria Lankowitz – Schatteisneralm
Das Aufbrechen mit vollem Magen fällt schwer. Die Sonne scheint nun auch mit voller Kraft. Die Hitze mag ich gar nicht und sie sorgt auch für das erste Motivationstief. Aber was muss, das muss.
Doch die herbeigesehnte Wolkendecke legt sich bald über die Lippizanerheimat und macht den nun folgenden langen Aufstieg fast zum Genuss. Nur zu Beginn mutet der Weg nach Grabenhatscher an, bald schraubt er sich an den Hängen zur Schatteisneralm hinauf, wo es eine kurze Pause bei Getränken gibt.
State of Mind: Ein kleines Tief zu Beginn, das sich mit zunehmende Seehöhe aber bald wieder legt.
Drittens: Schatteisneralm – Altes Almhaus
Diesmal fällt das Weitergehen leichter, gefühlsmäßig ist die nächste Labestation gar nicht so weit weg (Es dauert dann aber doch ein bisserl).
Vorwiegend über Almen geht es aufwärts bis wir schließlich zu Sonnenuntergang beim Alten Almhaus eintreffen. Da wir nun (fast) am höchsten Punkt der Runde sind schleicht sich ein seltsames Gefühl ein.
Einerseits: wir haben es jetzt schon geschafft! Andererseits: was machen wir in den verbleibenden 16 Stunden?
Aber erstmal Stärkung bei einer guten Suppe!
State of Mind: Was kann jetzt schon noch kommen?
Viertens: Altes Almhaus – Salzstiegl/Moasterhaus
Wie immer auf diesen Wanderungen: die Pausen dauern mir zu lang, da werde ich nämlich wirklich müde. Ich könnte/wollte/würde lieber schneller weiter gehen.
Als sich der Tross wieder in Bewegung setzt ist es draußen beinahe stockdunkel. Nun wandern nun wir am Nord-Süd-Weitwanderweg 05 in Richtung Salzstiegl, ein steirischer Wanderklassiker ohne nennenswerte Steigungen.
Knapp vor dem Salzstiegl biegen wir links auf die Straße hinunter zum Moasterhaus. Ein wenig habe ich zu tun, das nebenher fahrende Begleitfahrzeug der Bergrettung (bzw. eigentlich dessen Scheinwerfer) loszuwerden, aber irgendwann “gelingt” (lies: Pinkelpause) es mir, es überholen zu lassen und ich kann im Dunklen wandern.
Mitternacht ist’s und über die Hälfte der Strecke liegt schon hinter uns. Am Getränkebon steht: “Nur noch 32 Kilometer”. Hurra?
State of Mind: Tumma bitte weiter?
Mich über nur mehr 32 Kilometer zu freuen will mir nicht so ganz gelingen… 😉
Fünftens: Salzstiegl/Moasterhaus – St. Hemma
Vor dem nun folgenden Abschnitt hatte ich im Vorfeld ein wenig “Angst”. Wer schon einmal von Hirschegg auf das Salzstiegl gefahren ist, weiß, wie weit das ist. Und wir marschieren diese Straße nun in der Dunkelheit talaus. Doch es tut erstaunlich gut, dass nur die Füße etwas zu tun haben und nicht das Hirn.
Erst bei der Ortstafel von Hirschegg geht’s wieder zur Sache, der Aufstieg nach St. Hemma beginnt steil und will schließlich kein Ende nehmen (obwohl der Weg bei Tageslicht sehr schön sein dürfte).
Zur Belohnung gibt’s dann beim Wirten ein Kuchenbüffet. Mahlzeit!
State of Mind: Leerlauf.
Sechstens: St. Hemma – Edelschrott
Als wir St. Hemma wieder verlassen, zeigt sich das erste Tageslicht am Horizont. Das war vor zwei Jahren die Tageszeit, wo es mir am schlechtesten ging – körperlich und im Kopf.
Diesmal spielt sich die Müdigkeit nur im Kopf ab, den Beinen geht’s eigentlich gut. Gehen könnte ich schneller, aber ich werde ständig aufgehalten. Denn: alle Viertelstunden schickt mich meine Blase “in die Büsche”. Ob mir mein Körper damit irgendwas sagen will?
Der Weg hinunter nach Edelschrott (dort wartet ein Frühstück auf uns) zieht sich schon ein bisserl. Und auch dort: die Pause im Feuerwehrhaus könnte kürzer sein.
State of Mind: Müüüüde!
Siebtens: Edelschrott – Köflach
Als es endlich weitergeht sind wir wieder auf gut bekannten Wegen unterwegs. Dieses Teilstück zwischen zwei Labestationen ist eines der kürzeren und so sind wir recht bald in Köflach, wo es beim Naturfreundeheim die letzte Erfrischung gibt.
Und unsere Finisher-Shirts bekommen wir auch übergestreift.
State of Mind: Halbwegs derfangen.
Achtens: Köflach – Bärnbach
Nun ist es nicht mehr weit, Köflach und Bärnbach sind ja unmittelbare Nachbarn. Ein Katzensprung nur mehr, dann ist es geschafft!
Doch was macht Reini? Er marschiert doch glatt in die falsche Richtung los. Natürlich holt er noch in einem großen Bogen nach Süden aus, ein Katzensprung ist schließlich zu wenig für 2:30 Stunden, die uns bis zur Deadline noch verbleiben.
Bei jeder Abzweigung habe ich die Hoffnung, dass nun endlich in die richtige Richtung gewandert wird. Nun ja, allzu oft wir mein flehen nicht erhört. Zudem hat schon wieder irgendwer am Thermostat gedreht…
Am Heiligen Berg dann die Gewissheit: Nun ist es nicht mehr weit, einige Minuten warten wir am Ortsrand von Bärnbach noch ab, dann wird artig Aufstellung in Zweierreihen genommen. Und in Begleitung der Blasmusik marschieren wir etwas vor der Zeit wieder in Bärnbach ein.
State of Mind: Zach war’s, aber geschafft!
State of Haxen: What’s the problem?
Ich verdrücke noch schnell mein verdientes Finisher-Schnitzel und bevor das Hirnkastl draufkommt, dass es nun wirklich in den Schlafmodus wechseln kann, fahre ich nach Hause. Dort dauert’s dann noch ein wenig bis ich “runterkomme”, aber vom späteren Nachmittag bis in der Früh wird dann durchgeschlafen.
Und jetzt?
Mit dem Zieleinmarsch startet auch die Anmeldefrist für die 24h-Wanderung 2020. Binnen weniger Tage werden die 100 Startpätze wieder hoffnungslos überbucht sein.
Natürlich kann ich nicht schlafen gehen ohne unsere Namen für das nächste Jahr auf die Teilnehmerliste gesetzt zu haben. Bei aller Müh’ und Plag’, es hat ja doch großen Spaß gemacht!
Ein großes Dankeschön an Reini und sein gesamtes Team für die tolle Veranstaltung und die gesamte Organisation!
Hallo super das du wieder teilnimmst ein bisschen verrückt muß mann schon sein daher lebst es sich viel besser
Absolut Spitze was Ihr geleistet habt und allzugerne würde ich daran teilnehmen, aber ……. leider nicht in der Lage dazu. Ich bewundere die schönen Bilder und freue mich mit Euch.
Herzliche Grüße
Elisabetta
Hi Gert.
Gratulation und RESPEKT !
Meine letzte 24h-Wanderung liegt 10 Jahre zurück (“24h von Bayern”), war zur Sommer-Sonnwende und bei MIR weckte diese erste Dämmerung am Morgen wieder die Lebensgeister (allerdings war bei uns der Start auch um 8:00 Uhr).
Freue mich schon, auf den Bericht vom nächsten Jahr !
Schöne Grüße in den Süd-Osten,
K2.
Ich frag mich eh, was die ideale Startzeit für so eine Wanderung ist. 8 Uhr scheinen mir fürs Wandern optimal – aber was mach ich dann “danach”? Zu Mittag schlafen gehen und um Mitternacht mit einem Riesen-Jetlag aufwachen?
Die 11 Uhr in Bärnbach sind da “für unterwegs” etwas anstrengender, aber die Nachwirkungen dürften nicht so schlimm sein. Außerdem findet an den beiden Tagen in Bärnbach das “Freundschaftfest” statt. Man marschiert vom Fest weg und wenn man 24 Std. später zurückkommt feiern die guten Freunde noch immer. Oder doch schon wieder?