Zu Beginn steht die Frage des Tourenstarts, eine Woche Strohwitwer-Dasein hätte ich zur Verfügung:
Ein Start am Freitag würde mich die Nacht von Samstag auf Sonntag auf der bereits fast ausreservierten Hesshütte verbringen lassen. Samstag hätte als Tag 1 den Nachteil, dass der Sonntag und damit der lange Tag zur Hesshütte eine schlechte Wettervorhersage aufweist. Sonntag wäre als Losgehtag hingegen am besten geeignet: am Auftakttag wäre Schlechtwetter nicht weiter tragisch und außerdem sollte am Sonntag Weitwanderfreund Smeki hier unterwegs sein.
Smeki verbläst es aber ohnehin am Hochschwab und etwas ungeduldig entscheide ich mich für den Samstag, nachdem mir der Gasthof in Radmer ein Zimmer zusagt. Für den Aufstieg zur Hesshütte hofft der Optimist in mir, dass der Wetterbericht von Pessimisten verfasst wurde.
Tag 16: Eisenerz – Radmer
Bahn und Bus bringen mich in der Früh nach Eisenerz, knapp nach halb 9 Uhr stehe ich vor dem ersten Nordalpenwegs-Wegweiser. Der Versuch, an diesem Samstagmorgen einen Stempel (oder alternativ ein kleines Frühstück) zu ergattern, scheitert.
Um den langen Straßenhatscher in die Eisenerzer Ramsau zu vermeiden, schraubt sich der Weg gleich mal recht steil hinauf zum Schichtturm, ein paar hübsche Ausblicke auf die Stadt und den Erzberg gibt’s als Belohnung. Dann geht es vorwiegend auf Forststraßen weiter zur kleinen Ansiedlung Hohenegg, danach wieder auf schönen Wegen hinunter zur Straße hinein in die Ramsau (da heißt’s jetzt ein bisserl durchbeißen).
Beim Alpengasthof ist die Asphaltwanderung dann beinahe zu Ende, meinen Stempel bekomme ich dort auch. Als Frühstücksersatz muss die Mehlspeisenvitrine geplündert werden, die Küche ist anderweitig noch geschlossen.
Der weitere Weg auf den Radmerhals (der Übergang ins Radmertal) verläuft fast ausschließlich auf einer Schotterstraße, nur zwischendurch gibt’s eine Abkürzung mit prächtigem Blick auf das Kaiserschild.
Der Radmerhals ist ein unspektakulärer Sattel, immerhin ein Rastbankerl und ein Buch zum Eintragen gibt’s.
Abwärts dann more of the same, it’s Forststraße all the way down. Der Weg durch den Lahngraben wurde vor Jahren durch Windbruch (oder waren’s Überschwemmungen?) zerstört und wird nicht mehr hergerichtet. (Korrektur: 2022 haben die Naturfreunde den Weg dann doch repariert…)
Ein wenig Zeit kostet mich unterwegs schweres Forstarbeitsgerät, welches die Strße blockiert. Rufen ist bei dem Lärm zwecklos, ich muss warten, bis ich gesehen und durchgewunken werde, andernfalls gibt’s unter Umständen einen Baumstamm auf die Birne. Hätte man auf das “Forstliche Sperrgebiet” bestanden, welches erst 100 Meter vor den Arbeiten aufsgeschildert war – der Umweg wäre beträchtlich gewesen.
Schon um halb 2 bin ich in Radmer, der Ghf. Erzberg liegt etwas abseits, den Weg muss ich morgen früh zurück gehen. Den Rest des Tages verbringe ich mit Essen und Nichtstun, morgen muss ich eh früh raus.
Tag 17: Eisenerz – Hesshütte
Schon vor sechs Uhr sitze ich beim (Thermos-)Frühstück, das mir der Wirt schon am Vorabend gerichtet hat (Danke!). Um 5 nach 6 bin ich wieder auf dem Weg. Finster ist’s noch, die Stirnlampe braucht’s aber gerade nicht mehr.
Gute 1000 Höhenmeter muss ich jetzt einmal aufsteigen, vorerst geht es lange (und auch recht abwechslungsreich) durch den Wald dahin. Bevor ich aus dem Wald heraustrete, gönne ich mir eine Pause, hierbei überholen mich auch die ersten anderen Wanderer.
Danach geht’s unter den Wänden des Lugauers über Geröllfelder weiter, gelegentlich muss ich den Weg suchen, jedenfalls immer genau auf die Markierung achten.
Dreieinhalb Stunden nach meinem Aufbruch stehe ich schließlich vor einem Taferl “Nationalpark Gesäuse BEGINN”. Bis hierher war also alles Vorgeplänkel…
Nach links könnte ich nun den Lugauer besteigen (hab’ ich schon, lange her), für mich geht’s aber rechts weiter, nun wieder für lange Zeit abwärts. Auf einer Wiese am Hochpolster gibt’s wieder eine Pause, dann geht es weiter zur Scheucheggalm.
Knapp danach beginnt der steile (und sichtlich nur wenig begangene) Abstieg in den Hartlesgraben. Ganz unten mache ich wieder einmal Pause Und treffe zum zweiten Mal andere Wanderer, ein Pärchen, das nicht so recht weiß, wo es ist – und verzweifelt Mobilfunkempfang sucht (den zufällig anwesenden, erfahrenen Wanderer nach Direktionen zu fragen, kam für den männlichen Teil des Pärchens natürlich nicht in Frage).
Vom angekündigten Regen ist übrigens bisher nichts zu sehen, der Himmel ist gänzlich im blauen Bereich. Gut so, denn nun warten nochmal 700 Höhenmeter Aufstieg auf mich.
Weiter geht’s ins Sulzkar, zu Beginn (bis auf einen kurzen Abschneider) auf einer Forststraße. Dann rechts über den (Sulzkar-?)Bach und für den weiteren Tagesverlauf wird mich kein Weg breiter als 1 Meter mehr sehen.
Vor der (einfach bewirtschafteten) Sulzkaralm sitzen ein paar Leute, die Frage, ob ich etwas zu trinken möchte, kann ich natürlich nicht ausschlagen.
Mit einem Radler gestärkt geht’s dann an den letzten Anstieg, zum Sulzkarhund (ein Sattel, der “Hund” ist ein markanter Felsblock, dessen Gestalt man aus einer bestimmten Blickrichtung so deuten kann). Zugegeben, ich plag mich schon ein wenig, aber mittlerweile weiß ich, dass ich die Tour trocken zu Ende bringen werde, daher kann ich mir Zeit lassen und oben ein wenig sitzen bleiben.
Ein kurzer Abstieg und ein wenig bergauf trennen mich noch von der Hesshütte. Eine reine Formsache, deren Vollendung sich mit einem Kaiserschmarren auf der Terrasse vorzüglich feiern lässt. Der Regen kommt dann in der Nacht.
Tag 17: Hesshütte – Klinkehütte
Statt der Sonnencreme brauche ich heute die Jacke. Als ich um halb 8 aufbreche, regnet es zwar nur mehr leicht, aber es hat deutlich abgekühlt.
Zweieinhalb Stunden benötige ich ins Tal. Ein Rudel Kühe, das mir den Weg versperrt, ist dabei das einzig berichtenswerte. Vom Ghf. Kölbl (für eine Einkehr ist es noch zu früh) folge ich dem Schattseitenweg ins “Zentrum” von Johnsbach. Hier wäre auch der bekannte Bergsteigerfriedhof zu besichtigen, aber in wärmendes Supperl beim Ghf. Donner zieht mich heute mehr an.
Der nun folgende Aufstieg zur Mödlinger Hütte, ist mir schon von unserer Tour am Eisenwurzenweg bekannt. Steil, steiler und auffi, bis man plötzlich vor der Hütte steht – das ist auch heute so.
Zwei große Holundersäfte später entscheide ich mich, noch zur Klinkehütte weiterzugehen und buche dort telefonisch einen Schlafplatz.
Auch auf diesem Weg fallen nochmals Höhenmeter an, erst hinunter zum Flitzenbach, dann wieder rauf zum Kalblinggatterl und um 15:30 Uhr bin ich da. Es war ein bisschen ein “Verbindungstag” auf teils bekannten Wegen.
Der Abschnitt zwischen den beiden Gasthöfen im Johnsbachtal hat mir heute am besten gefallen.
Tag 18: Klinkehütte – Rohrauerhaus
Erneut ein Tourentag, der mit viel bergab startet und am Tagesende meine Kondition prüfen will. Gemeinsam mit dem Eisenwurzenweg führt der Nordalpenweg steil bergab, der Markierungswart scheint hingegen in der Gegenrichtung unterwegs gewesen zu sein.
Eher unscheinbar ist die Trennung der Wege, ich muss irgendwann rechts weg, um nicht versehentlich an die Südgrenze Österreichs zu wandern.
Ein Versehen passiert mir tatsächlich wenig später, als ich diese Markierung so interpretierte, als dass ich der Forststraße zu folgen hätte.
Das kleine Steiglein, welches vor der Markierung rechts hinab in den Wald führt, fällt mir erst auf, als ich 20 Minuten später wieder hier stehe. Die Forststraße war tatsächlich gut zu gehen, daher wollte ich das Fehlen weiterer Markierungen erst nicht bemerken.
Ich gelange zur Straße Trieben – Admont, der ich eine Weile zu folgen habe. Auch hier: die Abzweigung von der Straße weg hätte ich ohne Karte wohl übersehen. Wieder aus dem Wald, habe ich den ersten Blick auf Admont.
In Admont überquere ich die Enns, was auch bedeutet, dass es mit dem bergab-Teil des Tages nun vorbei ist. Ein guter Zeitpunkt, einen Schlafplatz am Rohrauerhaus zu buchen. (Ob ich ab hier noch im Gesäuse unterwegs bin, ist unter Geografen strittig – egal, ich sause weiter…)
Nun hat’s ein bisserl einen Straßenhatscher in die Mühlau hinein und noch ein bissl weiter, bevor es knapp unter der Gstattmaieralm wieder schmale Alm- und Waldwegerl gibt (auch diese entpuppen sich als länger als erwartet).
Am Pyhrgasgatterl, dem Sattel zwischen Bosruck und Großem Pyhrgas verlasse ich (vorerst) die Steiermark und betrete den oberösterreichischen Abschnitt des Nordalpenwegs. Und mein Wandertag ist auch fast zu Ende, denn zum Rohrauerhaus sind es nur mehr wenige Wanderminuten (die mir – schon wieder! – ein Sperrgebiet zu verlängern versucht, aber so knapp vor der Hütte spiele ich da nicht mit!).
Tag 19: Rohrauerhaus – Spital am Pyhrn
Heute “muss” ich nur mehr den Abstieg ins ca. 650 Meter tiefer liegende Spital am Pyhrn hinter mich bringen. Hätte ich gewusst, dass sich das in nur 1:30 Std. bewältigen lässt (laut Wanderführer sollte ich fast doppelt so lange brauchen), hätte ich das gestern noch drangehängt. Aber am Rohrauerhaus war es sehr nett.
Ich komme vorbei an der Bosruckhütte (zu dieser frühen Stunde noch geschlossen) und zum oberen Ende der Dr.-Vogelgesang-Klamm. Ich wähle aber die Straßenvariante, da erstens Niederschläge drohen und ich mir ein andermal ausführlich Zeit für die Klamm nehmen möchte.
Also lande ich bald am Ortsrand von Spital und anstatt nach links in Richtung Wurzeralm, wende ich mich nach rechts zum Bahnhof, wo diese Etappe endet. In dem Moment, als mein Zug einfährt, fallen die ersten Tropfen – zeitlich perfekt abgestimmt.
Als nächstes steht das östliche Tote Gebirge auf dem Programm, über die Wurzeralm hinauf zum Warscheneck und über die Zellerhütte nach Vorder- und Hinterstoder.
Beim Abstieg nach Admont haben wir uns auch vergangen und sind in der Kaiserau gelandet. Dann ein langer Abstieg am gestuften Lichtmessbach nach Admont.