Regelmäßige Gipfelrast-LeserInnen wissen vermutlich, dass der Österreichische Alpenverein zehn Weitwanderwege unterhält. Vier dieser Wege ziehen in Ost-West Richtung durch das Land, fünf verlaufen von Nord nach Süd. Und ein einzelner Sonderling bevorzugt es sternförmig, indem er sieben Landeshauptstädte mit dem Wallfahrtsort Mariazell verbindet.
Diese Wege wurden in den 1970er-Jahren angelegt und eröffnet. Der Generalplan eines österreichischen Weitwander-Wegenetzes1 war damals der Grundstein für die Errichtung der zehn Wege. Was jedoch nur Insidern bekannt ist: das Planungsdokument enthielt eigentlich zwölf Wege, zwei davon wurden jedoch nie umgesetzt.
Ja, was ist denn aus den Weitwanderwegen 11 und 12 geworden?
Diese Frage hat mich bereits länger beschäftigt, den folgenden Dialog habe ich mit Weitwanderfreunden bereits mehrfach geführt:
– Hast du zufällig den Generalplan?
– Nein, willst du auch wissen, wo der 11er und 12er verlaufen wären?
Bin ich also nicht der einzige, den das interessiert! Helfen konnten mir schließlich Erika & Fritz Käfer von der Sektion Weitwanderer des Österreichischen Alpenvereins. Vielen Dank!
Nun liegt das Dokument aus dem Jahr 1975 in Form einer blassen Kopie zwanzig maschinengeschriebener Seiten schon seit einigen Monaten bei mir zuhause. Da ich gerade hustend und schädelbrummend zum ebendortigen sitzen verdammt bin, finde ich endlich Zeit, mir den Plan genauer anzuschauen.
Nummer Elf: Der Passau – Plöckenpass Nord-Süd-Weitwanderweg
Der Verlauf des Weges mit der Nummer 11 ist im Generalplan wie folgt angegeben:
Passau (Bayern) – Ingling (OÖ) – Wernstein – Schärding – Neuhaus (Bayern) – Egelfing – Obernberg (Stichweg nach Stift Reichersberg) – Simbach – Braunau – Überackern – Salzachmündung – Ach (OÖ) – Burghausen (Bayern) – Geretsberg – Ibm Waidmoos – Gaisberg – Salzburg – Untersberg – Maria Gern – Berchtesgaden – Königssee – Bartolomä – Kärlinger Hütte (Bayern) – Riemannhaus – Saalbach – Pinzgauer Spaziergang – Uttendorf-Salzachtal – Enzingerboden – Rudolfshütte – Kalser Törl – Kals – Schobergruppe – Lienz – östliche Lienzer Dolomiten – Gailberg – Kötschach-Mauthen – Plöckenpass.
Zusätzlich ist im Norden ein (vermutlich optionaler) Zubringerweg vom Dreisesselberg nahe dem Dreiländereck Ö/D/CZ angeführt.
Die Ausarbeitung des genauen Wegverlaufs zwischen den angegebenen Punkten wäre Aufgabe der örtlichen Sektionen der alpinen Vereine gewesen. Ich habe versucht, dies mit diversen Routingwerkzeugen im Internet nachzuvollziehen, eine mögliche Route könnte etwa folgendermaßen aussehen.
Das entspricht einer Länge von ca. 440 Kilometern und einer Begehungsdauer von etwa 22 Tagen.
Was ist geblieben vom 11er? Der nördliche Abschnitt am Ufer von Inn und Salzach wurde als Variante 10A des Rupertiwegs verwirklicht, über Untersberg, Berchtesgaden und Steinernem Meer war ohnehin ein Gleichlauf der Wege 10 und 11 vorgesehen. Vom Teil südlich Saalfelden wurde im Rahmen des heute bestehenden Weitwanderwegenetzes nichts umgesetzt.
Nummer Zwölf: Der Chiemgau – Osttiroler Nord-Süd-Weitwanderweg
Der Weg Nummer 12 sollte laut Generalplan wie folgt geführt werden:
Braunau – Simbach (Bayern) – bayrischer Innuferweg bis Mühldorf – Chiemsee – Marquartstein – Reit im Winkel – Kössen – St. Johann in Tirol – Kitzbühel – Pass Thurn – Mittersill – Felbertauerntal – St. Pöltner Hütte – Matreier Tauernhaus – Badener Hütte – Bonn-Matreier Hütte – Virgen – St. Veit/Defreggen – Sillianer Hütte – Außervillgraten – Sillian.
…was auf der Karte etwa so aussehen könnte:
Für die 350 Kilometer wären über den Daumen etwa 18 Wandertage zu veranschlagen. Der 12er wäre damit heute der “kürzeste” der Weitwanderwege des Alpenvereins. Von diesem Weg ist leider nichts “übrig geblieben”, vielleicht wäre der Zwölfer somit ein lohnendes Ziel für eine “Erstbegehung”?
Literatur
1 Min.Rat Dr. Robert Wurst unter Mitarbeit von: Verwaltungsausschuß und der Sektionenverbände von N.Oe, O.Oe, Sbg. u. Stmk. GENERALPLAN eines Österreichischen Weitwander Wegenetzes. Eine Diskussionsgrundlage. (April 1975)
Zurzeit ist ja noch Winter und ich habe leider auch nicht gerade viel Freizeit. Ich hoffe, dass sich heuer im Sommer auch weiter Strecken ausgehen werden. Die beiden von Dir beschriebenen Weitwanderungen hören sich jedenfalls sehr viel versprechend an.
Schöne Grüße
Da wünsche ich viel Spaß beim Erkunden der ‘verlorenen’ Wege 😉
Was unser Gert nicht alles ausgräbt! Hört sich auf alle Fälle sehr spannend an. Das sich nach 40 Jahren überhaupt noch wer erinnern konnte das zwei zusätzliche Wege geplant waren ist für mich schon faszinierend.
Auf die Tatsache, dass es 12 Wege geben hätte sollen, stößt man recht schnell, wenn man sich mit der Materie beschäftigt.
Aber über den genauen Verlauf war so leicht nichts aufzutreiben. Ist wohl zu lange her, als dass diese Information den Weg ins Internet gefunden hätte. Jetzt halt 😉
Warum sollte jemand von der Sillianer Hütte zuerst nach Außervillgraten und dann nach Sillian gehen?
Das ist mir auch aufgefallen, in ‘meiner’ Routenplanung hab ich die Reihenfolge eh richtig gestellt. Wär ein ziemlich sinnloses Ringerl 😉
ich find auch keine gscheide hütte zwischen defereggental und villgraten. vermutlich ist damit gemeint, dass die, die ganz zum ende gehen wollen (wegen anschluss an andere wege) zur sillianer hütte gehen, und die, die heimfahren, nach sillian gehen.
und die seit’n wollt’ halt deswegen keiner nochmal abtippen.
Sehr spannend!
Was ich mich frage, warum geht der Weg durch das Villgratental und nicht über die Bonner Hütte (Südtirol) nach Sillian u dann zur Sillianer Hütte oder nicht gleich direkt über den Weg 403 von Arnbach zur Sillianerhütte?
LG Anna