Am Wilhelm-Oltrogge-Weg
Am Wilhelm-Oltrogge-Weg

Bekanntlich hat es vor zwei Wochen mit der Über­schreitung der Stubaier Alpen nicht ganz geklappt. Doch diesmal bin ich hier, um das Vorhaben zu seinem Ende zu bringen.

Wieder reise ich im Liegewagen an, das Taxi von Innsbruck kostet jedoch beinahe gleich viel wie die Zugfahrt durch ganz Österreich. Dafür bin ich heute schon sehr zeitig am Start.

Am Parkplatz in Praxmar, wo ich letztes Mal vergebens auf der Suche nach einer Mitfahr­gelegenheit war, verspeise ich mein Frühstück, wenige Minuten vor sechs Uhr gehe ich los.

Tag 38: Praxmar – Pforzheimer Hütte – Schweinfurter Hütte

Zwei Aufstiege und ebenso viele Hütten warten heute auf mich. Zuerst muss ich über das Satteljoch zur dahinter liegenden Pforzheimer Hütte. Von meinem Nachtquartier, der Schweinfurter Hütte trennt mich dann noch das Gleirschjöchl.

Unterm Strich sind das 1600 Höhenmeter.

Morgenstimmung beim Aufstieg zum Satteljoch
Morgenstimmung beim Aufstieg zum Satteljoch
Wäre ein netter Zeltplatz gewesen...
Wäre ein netter Zeltplatz gewesen…
Die einzigen Hindernisse am Weg
Die einzigen Hindernisse am Weg

Zu Beginn wandere ich im Schatten, die Temperaturen verlangen noch nach der Fleecejacke. Doch bald klettert die Sonne über den Horizont und heizt mir kräftig ein. Ab der Bank am Zirmkogel bin ich im T-Shirt unterwegs. Nicht viel später wandern die langen Hosenbeine ebenfalls in den Rucksack.

Bank am Zirmkogel
Bank am Zirmkogel
Es wird sonnig - und warm!
Es wird sonnig – und warm!
Blick zurück zum Großen Horntaler Joch, rechts davon der Schafgrübler
Blick zurück zum Großen Horntaler Joch, rechts davon der Schafgrübler

Unbeeindruckt ob meiner Anwesenheit verharren die vielen Kühe stoisch auf ihrer Weide. Kein Fußbreit Platz wird mir gemacht. Mehrmals muss ich zur Seite treten, um allzu intimen Kontakt zu vermeiden, so ein salzig-schwitzender Wanderer ist schnell abgeleckt. Man möchte fast glauben, sie werfen sich für die Touristen­kameras in Pose.

Wie angenagelt steht sie da, weicht keinen Zentimeter zur Seite
Wie angenagelt steht sie da, weicht keinen Zentimeter zur Seite
Blick zum Zischgeles (3003m) sowie auf einen Rinderarsch
Blick zum Zischgeles (3003m) sowie auf einen Rinderarsch
Kuh oder Schwein?
Kuh oder Schwein?
Pausenplatz
Pausenplatz

Mittlerweile löst die Sonne die Feuchtigkeit der Nacht von den Almwiesen, Nebelfetzen begleiten meinen Weg hinauf zum Satteljoch. Später werden sie sich zu einer dunklen Wolke auftürmen. Doch bevor es kracht, löst sich alles in Wohlgefallen auf.

Mannshohe Steinmänner weisen den Weg nach oben
Mannshohe Steinmänner weisen den Weg nach oben
Das Satteljoch (2735m)
Das Satteljoch (2735m)
Am Satteljoch
Am Satteljoch

Am Satteljoch genieße ich einen schönen Ausblick auf den weiteren Weg. Um zur Pforzheimer Hütte zu gelangen, muss ich erst das vor mir liegende Gleirschbachtal durchqueren. Lediglich drei Wanderer sind mir am Weg dorthin entgegengekommen.

Blick zum Gleirschjöchl, rechts unten die Pforzheimer Hütte
Blick zum Gleirschjöchl, rechts unten die Pforzheimer Hütte
Der steile Abstieg vom Satteljoch
Der steile Abstieg vom Satteljoch
Panorama
Panorama

Nach einer kleinen Gegensteigung kehre ich ein und gönne mir bei der Pforzheimer Hütte ein zweites Frühstück.

Mein zweites Frühstück
Mein zweites Frühstück
Blick zurück zur Hütte und zum Satteljoch
Blick zurück zur Hütte und zum Satteljoch
Da rauf!
Da rauf!
Steile Serpentinen
Steile Serpentinen

Hoooo-ruck! Frisch gestärkt schwinge ich mich noch mal 500 Höhenmeter hinauf und bald stehe ich am Gleirschjöchl, dem höchsten Punkt für heute.

Am Gleirschjöchl (2751m)
Am Gleirschjöchl (2751m)

Ich nehme mir Zeit für eine ausgiebige Pause, viel habe ich heute nicht mehr vor. Eine Wandergruppe will mir den benachbarten Gipfel (Gleirscher Rosskogel, 2994m) schmackhaft machen, doch angesichts der bereits absolvierten Höhenmeter schlägt die Bequemlichkeit durch und ich lehne dankend ab.

Aussicht vom Gleirschjöchl
Aussicht vom Gleirschjöchl

Im Abstieg zur Hütte, sehe ich bereits einen Teil der morgigen Etappe vor mir. Doch trotz ausgiebigem Kartenstudium wird mir nicht ganz klar, auf welchem der vielen Gipfel ich morgen stehen werde. Eines weiß ich jedoch: es wird der erste 3000er der Saison!

Da darf ich morgen drüber!
Da darf ich morgen drüber!

Die Schweinfurter Hütte (vormals Gubener Hütte, daher auch Guben-Schweinfurter-Hütte genannt) erreiche ich Punkt 14 Uhr. Prompt wird mir beschieden, dass die Hütte bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Aber man gibt sich flexibel: Wir werden schon ein Platzerl für dich finden…

So ist es dann auch, gerade als ich meinen Kaiserschmarrn verdrücke, wird mir ein Schlafplatz zugeteilt. Ich teile ein Zimmer mit vier Herren der Sektion Schweinfurt des Deutschen Alpenvereins. Das bayerische Quartett ist hier mit Wegmarkierungs- und Instandhaltungs­arbeiten beschäftigt.

In den Genuss der frisch bepinselten Wanderwege komme ich dann morgen, ein dreifaches Hoch auf die ehrenamtlichen Wegbetreuer!

Tagesziel erreicht: die Schweinfurter Hütte
Tagesziel erreicht: die Schweinfurter Hütte

Tag 39: Schweinfurter Hütte – Hochreichkopf – Tumpen

Meine vier Zimmerkollegen schlafen noch tief, als ich mich um 6:29 Uhr aus den Gemächern schleiche, um pünktlich der Eröffnung des Frühstücksbüffets beiwohnen zu können. Mit gut gefülltem Magen trete ich schließlich vor die Hütte und mache mich um 7 Uhr auf den Weg hinauf zur 900m höher gelegenen Hochreichscharte.

Weg zur Hochreichscharte
Der Weg zur Hochreichscharte

Vorbei an der Finstertaler Sennhütte spaziere ich auf schönen Almwegen. Je höher ich komme, desto karger wird die Vegetation. Schließlich quere ich weite Schneefelder und erfreue mich am Anblick eiskalter Seen.

Schneefelder und Schmelzwasserseen
Schneefelder und Schmelzwasserseen
Hinauf zur Hochreichscharte
Hinauf zur Hochreichscharte

Steil führt der letzte Wegabschnitt hinauf in die 2912m hohe Hochreichscharte. Dort bietet sich die Gelegenheit, den 3010m hohen Hochreichkopf zu ersteigen. Natürlich lasse ich den einzigen Dreitausender im unmittelbaren Nahbereich der 02A-Route nicht aus. Da ich auf die Gehzeitangaben des Wanderführers bereits einen schönen Vorsprung heraus­gearbeitet habe, geht sich das wunderbar aus.

Am Hochreichkopf (3010m)
Am Hochreichkopf (3010m)
Panorama vom Gipfel
Panorama vom Gipfel

Am Hochreichkopf bestaune ich das 360°-Panorama, regelrecht umzingelt bin ich von zahllosen Bergen mit weißen Hauben. Leider reichen meine Kenntnisse der Tiroler Geographie nicht aus, um auch nur einige davon benennen zu können.

Nur den Wildgrat mit seinen 2971m Seehöhe auf der anderen Seite des Ötztals erkenne ich. Denn der liegt auf meiner weiteren Route, dort hinauf wird mich die nächste Etappe führen.

Am Gegenhang zeigt sich bereits der nächste Aufstieg. Ein andermal.
Am Gegenhang zeigt sich bereits der nächste Aufstieg. Ein andermal.
Blick zurück zur Hütte
Blick zurück zur Hütte

Zurück in der Scharte beginnt mit dem Wilhelm-Oltrogge-Weg nun ein Abschnitt, den ich mit besonderer Spannung erwarte. Der Wanderführer versucht ihn folgender­maßen schmack­haft zu machen:

Bei der folgenden, sehr anspruchsvollen Etappe auf dem “Wilhelm-Oltrogge-Weg” zur Bielefelder Hütte wird im Abschnitt zwischen Hoch­reich­scharte und Nieder­reich­scharte, sowie auch weiter über Lauser und Achplatte bis zur Ruine der Alten Bielefelder Hütte vom Wanderer absolute Tritt­sicherheit und Schwindel­freiheit sowie besondere Vorsicht abverlangt.

Dieses hochalpine Wegstück sollte – insbesondere auch auf Grund der Länge und Höhenlage – nur bei sicherem Wetter und guten Wegverhältnissen begangen werden.

Weiter im Text ist dann von steilem Auf und Ab und Schwierigkeitsgrad I zu lesen. Was mich in den nächsten Stunden wirklich erwartet, kann ich nur schwer einschätzen. Trotzdem: Let’s go!

Es wird spannend: der Wilhelm-Oltrogge-Weg beginnt
Es wird spannend: der Wilhelm-Oltrogge-Weg beginnt
Am Wilhelm-Oltrogge-Weg
Am Wilhelm-Oltrogge-Weg

Auf diesem Wegstück bekomme ich sogar Begleitung, zumindest akustisch.

Zwei Tirolerinnen nehmen – unüberhörbar – den Weg knapp nach mir in Angriff. Da die beiden ihre offensichtliche Leidenschaft für die dauerhafte verbale Kommunikation ungehemmt ausleben, wird mein nächstes Etappenziel schnell klar: Der Zwangs­beschallung so schnell wie möglich zu entkommen. Was mir aber angesichts eines ähnlichen Gehtempos nur schlecht gelingt.

Das Schneefeld ist noch hart, aber gut gespurt
Das Schneefeld ist noch hart, aber gut gespurt

Der Weg begeistert mich aber ungemein. Viele Kilometer lang führt die Route durch steile Hänge, in ungezählten Passagen werden die Hände benötigt. Diese Stellen sind aber bestens abgesichert. An Stahlseilen, Trittplatten und Haltegriffen wurde hier nicht gespart.

Ausrutschen oder hinunterfallen ist trotzdem nicht angesagt, zu ausgesetzt sind manche Stellen.

Kraxlerei über Blöcke
Kraxlerei über Blöcke
Wandern vor großartigem Panorama
Wandern vor großartigem Panorama
Der Lauser - ein optimaler Pausenplatz
Der Lauser – ein optimaler Pausenplatz

Mehrmals blicke ich staunend auf vor mir liegende Passagen, nur schwer ist zu fassen, dass dort ein Weg hindurchführen soll. Doch es findet sich natürlich immer eine Möglichkeit.

Da führt der Weg durch
Da führt der Weg durch
Finde den Weg!
Suchbild: Finde den Weg!
Am Wilhelm-Oltrogge-Weg
Am Wilhelm-Oltrogge-Weg

Müsste ich die Schwierigkeit des Weges bewerten, würde ich einzelne Passagen als Klettersteig B einstufen, oft jedoch am Rande des Abgrunds. In der von mir begangenen Richtung werden diese Stellen meistens abwärts geklettert. Doch dank der Beschreibung aus dem Wanderführer hatte ich mehr Respekt als schließlich notwendig.

Mit Sicherheit war das aber bisher der alpinste und fordernste Abschnitt auf meiner Wanderung am Zentralalpenweg bisher. Einfach ein großartiger Weg!

Ende in Sicht
Ende in Sicht
Aussicht von der Achplatte, von nun an geht's bergab
Aussicht von der Achplatte, von nun an geht’s bergab

Die Schwierigkeiten enden bei der Alten Bielefelder Hütte. Der Weg führt mitten durch die Hütte, gerne würde ich hier einkehren. Doch seit die Hütte im Jahre 1952 von einer Lawine plattgewalzt wurde, wird hier kein Bier mehr ausgeschenkt.

Die Ruinen der Alten Bielefelder Hütte
Die Ruinen der Alten Bielefelder Hütte

Der Zentralalpenweg führt nun weiter zur Neuen Bielefelder Hütte. Doch da von dort bereits Baustellenlärm herüberdringt, beschließe ich, direkt zur Acherberg Hütte und von dort weiter ins Ötztal abzusteigen. Möge der Alpenverein es mir nachsehen!

Also steht mir ein langer Abstieg bevor, 1600 Höhenmeter am Stück setzen den Knien ordentlich zu. Schließlich erreiche ich das Ötztal im Ort Habichen, fast genau bei der Busstation.

Doch noch habe ich nicht genug! Um die nächste Etappe zu verkürzen, gehe ich noch in den nächsten Ort – Tumpen. Dazu muss ich wieder 100 Höhenmeter hinauf. Nach dem langen Abstieg ist die ungewohnte Bewegung ist eine wahre Wohltat für Füße und Sprunggelenke. Lediglich die Oberschenkel beklagen sich, sind sie es auch, die die gesamte Last tragen müssen.

Von Tumpen bringt mich ein Bus zum nächsten Bahnhof und in Innsbruck angekommen marschiere ich wieder direkt ins IBIS.

Ich werde prompt wiedererkannt bekomme erneut eines der letzten Zimmer. Danach folgt das von vor zwei Wochen gewohnte Prozedere: Heimsuchung des hiesigen Schachtelwirts und keine weiteren Aktivitäten.

Tumpen im Ötztal. Endstation.
Tumpen im Ötztal. Endstation.

Und weiter? Im Zuge dieser Etappe habe ich mir das erste Mal konkrete Gedanken über den Abschluss des Zentral­alpen­wegs gemacht.

Laut Alpenvereinsführer fehlen mir “nur” mehr 11 von 73 Tagesetappen. Ende August wird eine ganze Woche dem 02er gewidmet. Ideal wäre natürlich, wenn sich davor noch ein Wochenende unterbringen ließe…

Die nächsten Etappen könnten wie folgt aussehen:

…womit 2015 ein verlängertes Wochenende genügen könnte, um in Feldkirch einzulaufen!



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4 Kommentare

    1. Author

      Ich hoffe, ich konnte zumindest bei dir die Lust wecken, am 02er auch wieder mal ein Stück voranzukommen!

    1. Author

      Ja, da konnte ich mich echt nicht beklagen. Fast schon zu heiß beim Abstieg.
      Wenn das Wetter passr, geht’s in der letzten Augustwoche wieder auf den 02er – mit etwas Glück komm ich dann bis nach Vorarlberg.

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