Friedrichshafen, Heilbronn und Worms. So lauten die Stationen dieser Etappe am Zentralalpenweg.
Keine Sorge, ich habe mich nicht zu unseren nördlichen Nachbarn verirrt, trotzdem sind diese drei Städte im Westen Österreichs prominent vertreten. Und zwar in Form ihrer Sektionen des Deutschen Alpenvereins, welche hier ihre Arbeitsgebiete und Hütten betreuen.
Trotz deutscher Hütten wandle ich durch die Verwallgruppe an der Grenze Tirols zu Vorarlberg.
Für die Anreise wähle ich wieder einmal den Nachtzug, um den Schönwetter-Dienstag noch fürs Wandern nutzen zu können. Üblicherweise ist das sehr gemütlich, doch diesmal wird’s etwas holpriger: Einerseits raubt mir ein Schnarcher im Liegewagenabteil die Nachtruhe, andererseits muss ich auf halber Strecke den Waggon wechseln – technischer Defekt.
Die kleine Verspätung verkürzt mir aber letztlich die Warterei bis der Bäcker am Bahnhof Landeck-Zams seine Pforten öffnet. Die Zeit bis zur Abfahrt meines Busses nach Ischgl kann ich frühstückend überbrücken.
Tag 46: Ischgl – Heilbronner Hütte
Um 7:50 Uhr bin ich bereits am Panzauner Talwanderweg unterwegs, die fünf Kilometer taleinwärts nach Mathon begleitet mich noch der nächtliche Frost.
Knapp nach dem Ort geht es rechts hinauf zur Friedrichshafener Hütte. Gerade eben den Temperaturen um Null entkommen, lässt mich wenige Minuten später die Sonne schon in kurzer Hose und kurzem Leibchen wandern. Der Wanderweg kürzt die Serpentinen einer Schotterstraße mehrfach ab, gegen 11 Uhr stehe ich vor der Hütte.
Die Küche hat schon geöffnet, nicht viel später steht ein dampfender Teller Nudeln vor mir, der mir Kraft für den weiteren Aufstieg geben wird.
Mein nächstes Ziel ist das 2620 Meter hohe Muttenjoch. Schon von der Hütte aus ist zu erkennen, dass der Schneefall der letzten Tage dort bleibende Spuren hinterlassen hat. Nicht viel, aber doch. Und auf die Rückseite des Jochs kann ich von hier noch nicht blicken.
Als Gipfelziel stünde die Gaisspitze (2779 m) parat, doch ich gebe einer Pause den Vorzug, das Muttenjoch bleibt der höchste Punkt meines heutigen Weges. Der Abstieg ins Tal der Rosanna versteckt sich stellenweise unter einer dicken Schneedecke, umso mehr verwundern die gelegentlichen Reifenspuren. Einige Mountainbiker kommen mir mit dem geschulterten Bergrad entgegen – wer für sein Rad Gefühle hegt, der trägt.
Den Abschluss des Tages bildet ein schöner Höhenweg zur Heilbronner Hütte, bei der ich gegen 14 Uhr eintreffe. Ich bekomme einen Platz in einem Vierbettzimmer mit Blick auf die Scheidseen zugewiesen, in dem ich schließlich alleine übernachte. Ein angekündigter Zimmergenosse taucht nicht mehr auf. Zum Abendessen gibt es das Bergsteigeressen: einen großen Teller Spaghetti…
Für meine Österreich-Durchquerung am Zentralalpenweg stellt die Heilbronner Hütte einen weiteren Meilenstein dar: Knapp vor der Hütte überschreite ich die Grenze zum sechsten und letzten Bundesland auf diesem Weg: Ich schlafe erstmals in Vorarlberg!
Tag 47: Heilbronner Hütte – Schruns
Den im Zug versäumten Schlaf kann ich gut nachholen, Punkt 7 Uhr beginnt das Frühstückservice.
Keine halbe Stunde später wuchte ich auf der Hüttenterrasse den Rucksack wieder auf meine Schultern. Ich habe diesmal versucht, bewusst leicht zu packen, doch der Proviant für den heutigen Tag konterkariert dieses Vorhaben etwas.
Die angegebenen Gehzeiten über den Wormser Höhenweg zur Wormser Hütte schwanken zwischen 8 und 10 Stunden, dazwischen gibt es nur jene Einkehrmöglichkeiten, die die Natur hergibt. Und das ist in dieser Seehöhe, abgesehen von kühlem Quellwasser, wenig.
Die Heilbronner und die Wormser Hütte an Start- und Endpunkt des Höhenwegs zu Worms liegen fast auf den Meter gleich hoch, trotzdem sammelt der Wanderer unterwegs über 1000 Höhenmeter. Die prominentesten Steigungen: Valschavieljöchle (2439 m), Grat (2251 m) und Kreuzjoch (2398 m).
Bei meiner Mittagspause nach genau 4 Stunden Gehzeit kommt mir der erste Wanderer von der Wormser Hütte entgegen. Kurz plaudern wir über die Länge und Schwierigkeit des Weges, es scheint, dass jeder den anderen überzeugen will, dass der anstrengendere Teil noch kommt…
Der Weg ist einsam und ruhig, nicht umsonst trägt ein Gipfel entlang des Weges den Namen Geisterspitze.
Mit der Ruhe ist es aber in Sattel der Furkla vorbei. Ein Bagger quält sich lautstark eine Forststraße herauf, um hier ein Häufchen Erde von einem Platz zum anderen zu schieben. Alles ist hier nagelneu: Seilbahn, Piste und Schneekanonen müssen für den kommenden Winter glänzen!
Willkommen im touristischen Absurdistan: Am grünen Wanderweg kommt mir tatsächlich eine Pistenraupe entgegen und um die Wunden des Pistenbaus zu behübschen wird gerade Rollrasen (!) en gros verlegt. Als ob eine Beschneiungsanlage bis auf 2400 m hinauf nicht schon Eingeständnis genug wäre, dass in dem System was faul ist.
Aber ein kleiner Zwischensieg über die Natur sei der Menschheit noch vergönnt, bevor auch der schönste Kunstschnee die Gebirgsbäche hinunter geht. Immerhin, der Rasenausrolltrupp ist schlagfertig: Kannst nächstes Mal Golfschläger statt Wanderstecken mitbringen!
Noch schnell übers Kreuzjoch und auf der anderen Seite hinunter zur Wormser Hütte. Nur 7:45 Stunden inklusive drei längerer Pausen, ich bin zufrieden. Die Wegweiser müssen nicht immer Recht behalten.
Das war’s für heute, oder? Mit dem Gedanken, heute noch ins Tal abzusteigen, spiele ich ob meines guten Vorankommens schon seit ein paar Stunden. Es ist zwar bereits halb vier, wenn es nach dem Wanderführer geht, wäre ich um 8 im Tal. Der Wegweiser ist um eine Stunde optimistischer.
Eine Stärkung brauche ich jetzt ohnehin, also statte ich der Hütte einen kurzen Besuch ab. Was ist gerade im Angebot, daher schnell serviert und füllt verlässlich das Loch im Bauch? Richtig! Teller Spaghetti Nummer drei…
Während ich meine Nudeln verdrücke, komme ich mit dem Vorarlberger Tischnachbarn ins Gespräch, der sich recht beeindruckt zeigt, dass man auf durchmarkiertem Weg ganz Österreich von Ost nach West durchqueren kann. Allerlei Details will er wissen, ich glaube, da habe ich ihm da einen Floh ins Ohr gesetzt…
Nach 30 Minuten wird also wieder der Rucksack geschultert und – Challenge accepted! – ich mache mich auf den Weg ins 1600 Meter tiefer liegende Schruns. Meist geht es in direkter Linie nach unten, der Weg ist trotzdem abwechslungsreich. Erst der roten, dann der gelben Markierung folgend stehe ich zweieinhalb Stunden später am Hauptplatz von Schruns.
Bei der Quartiersuche gewinnt das erste Haus am Platz, für eine aufwändige Sichtung der Optionen bin ich heute nicht mehr zu haben. Im Hotel mit dem Vögelchen im Namen bekomme ich ein geräumiges Vierbettzimmer zur günstigen Alleinbenutzung, leider spielt der Grillteller nur preislich in einer gehobenen Liga. Egal, bitte nur keine Nudeln mehr!
Den kurzen Abend verbringe ich mit der weiteren Planung für die nächsten Tage, meine heutige Extraschicht hat in meiner Etappenplanung einiges durcheinander gebracht.
Morgen geht’s in den Rätikon, wenn alles gut läuft bin ich in dreieinhalb Tagen in Feldkirch!
Servus Gert,
scheinbar willst du es jetzt wissen.
Verfolge deine Tour sehr interessiert.
Viel Spaß noch unterwegs
Hallo Marc,
Ja ja, es geht dem Ende zu, da steigt natürlich die Motivation. Und gleichzeitig ein bissl die Wehmut, denn nach der Ankunft in Feldkirch werde ich keine “nächste Etappe” mehr haben, auf die ich mich freuen kann!
Aber keine Sorge, es wird sich schon wieder ein neues “Projekt” finden 😉
LG
Gert
Wieder super Bilder, die Lust auf die Berge machen!
Ja, dann: nix wie raus! Der Winter kommt früh genug…
Lieber Gert!
Wir überlegen den Zentralalpenweg 02A, so wie du ihn so fein beschrieben hast, von West nach Ost zu gehen. Erscheint dir das ebenfalls gut möglich, was die Wege und Steigungen betrifft?
Liebe Grüße Sabine
Servus Sabine,
nein, da spricht überhaupt nichts dagegen, der Weg ist in beide Richtungen gut begehbar.
Einzig vielleicht die Tatsache, dass im Wanderführer des Alpenvereins der Weg in Ost-West-Richtung beschrieben ist. Das macht es etwas “komplizierter”, der Wegbeschreibung zu folgen. Aber großes Problem ist das natürlich keines, der Weg ist großteils recht gut markiert (bis auf Vorarlberg, dort gibt es ja grundsätzlich keine Wegnummern auf den Schildern)
Ich wünsch Euch viel Spaß am Zentralalpenweg!
Gert