Nachdem ich nun in Gestalt von Hans und Grete Begleitung für den Weiterweg bekommen habe, setze ich meine Wanderung am Salzsteigweg noch für einige Tage fort. Nach fünf Tagesetappen in den Wölzer Tauern stehen nun die Nockberge am Programm.
In der Murauer Hütte werden wir gut bewirtet, die geplante Abmarschzeit von sieben Uhr verzögert sich jedoch ein wenig.
Was gut ist, denn so vermeiden wir den morgendlichen Nieselregen und kommen in den Genuss eines prächtigen Regenbogens über der Hütte.
Tag 13: Murauer Hütte – Flattnitz
Hans bleibt mir heute den ganzen Tag erhalten, Grete begleitet uns nur zu Beginn. Um auch ihr einen Gipfel zu gönnen, machen wir einen Abstecher auf die Frauenalpe. Da die Etappe nach Flattnitz ohnehin lang genug ist, passiert der 09er die Frauenalpe an sich nur in deren Nordflanke.
Am 1997 m hohen Gipfel können wir die unterschiedlichen Wetterlagen in Österreich beobachten. Schweift unser Blick nach Süden, regieren in Kärnten Regen und dunkle Wolken, während die Steirer im Norden bereits von blauem Himmel verwöhnt werden.
Während Grete bereits zur Murauer Hütte zurück wandert, passieren wir die Troghütte und die Turnhoferhütte und beginnen den Anstieg zur Ackerlhöhe, um den Höhenrücken zu erreichen, dem wir bis zum Nachmittag folgen werden.
Ein Tipp für jene, die bei der in der Karte verzeichneten Quelle ihre Wasservorräte füllen wollen: Es gibt deren zwei! Während die erste unergiebig ist, kann wenige Meter später der Durst schnell gestillt werden.
In Unkenntnis dieser Tatsache beschäftigt sich Hans intensiv mit der falschen Quelle, währenddessen kann ich mich auf das prächtige Panorama konzentrieren und auf meinen Weg der letzten Tage zurückschauen.
Doch wesentlich eindrucksvoller ist der Blick nach vorne, unzählige sanfte Graskuppen liegen vor uns. Mit den Nockbergen hat man einen wahrlich passenden Namen für diese Landschaft gefunden.
Hans zeigt mir am Horizont schon die Gipfel von morgen. Ja, hier kennt er sich aus, das ist sein Revier. Und den höchsten Nock, den Eisenhut, den erkennt er in jeder Himmelsrichtung!
Hier berührt der 09er erstmals die Grenze Kärntens, dem dritten und letzten Bundesland am Salzsteigweg. Doch die Steiermark werde ich erst in zwei Tagen gänzlich hinter mir lassen, bis dahin folgt der Weg – mal hüben, mal drüben – in etwa dem Grenzverlauf.
Nach dem trüben Sommer können wir das Wetterglück kaum fassen, nur der Wind pfeift uns kalt um die Ohren. So ist es gut, dass auch im August Handschuh und Kopfbedeckung den Weg in unsere Rucksäcke gefunden haben.
Rauf und runter, runter und rauf! Wir vergessen die Zeit, schon vier Stunden sind wir unterwegs! Ein windgeschütztes Plätzchen muss her – für eine Pause im Gras!
Schwarmbrunnhöhe (2120m) und Prankerhöhe (2166m) lauten die Namen der beiden höchsten Erhebungen des Tages, beide Gipfel genießen wir ausgiebig.
Doch alles hat ein Ende, so auch unsere Gipfelpausen, vor uns liegt noch ein weiter Weg. Trotz der guten Vorsätze bleiben wir im Abstieg zu den Sengerböden jedoch schnell wieder bei den bremsenden Schwarzbeerfeldern hängen.
Bald taucht der Weg in einen wunderschönen Wald ein, durch den er beinahe schnurgerade hinunter sticht. Der Wanderführer klärt auf: Seinerzeit wurde der Wanderweg nur an der Grenze zwischen zwei Jagd- und Forstrevieren genehmigt, wenige Meter rechts und links davon ist man als Wanderer wohl nicht sehr gerne gesehen.
Und viele sind hier wohl nicht unterwegs, der Weg ist zwar ausgezeichnet markiert und doch kaum ausgetreten. Nur das kräftige rot-weiß-rot an den Bäumen leitet uns ins Tal.
Nach einem abschließenden Stück Forststraße erreichen wir bei der Stegerhütte den tiefsten Punkt unserer Tagesetappe. Nun haben wir noch acht Kilometer auf die Flattnitz vor uns, wir befürchten Arges: einen eintönigen Grabenhatscher.
Doch der Wegverlauf erweist sich als abwechslungsreich und kurzweilig. Es folgen eine sehr sumpfige Passage, wo uns lediglich Markierungensstangen vom Schlimmsten fernhalten, eine Brücke, der wir vertrauen müssen und Eierschwammerlplantagen mitten am Weg.
Auch hier wird klar, dass der 09er unter den österreichischen Weitwanderwegen ein eher stiefmütterliches Dasein fristet. Übrigens sehr zu unrecht, wie ich mittlerweile meine.
Den heutigen Abschluss bildet ein schöner, aber eher spärlich ausgestatteter Kneippweg. Dieser kann nach über 30 Kilometern unsere Gedanken nicht mehr von der zentralen Frage ablenken:
Isopp, where art thou?
Und nach beinahe zwölf Stunden laufen wir schließlich in den Hafen des Gasthofs Isopp auf der Flattnitz ein. Radler, Dusche, Grillteller lautet die Reihenfolge der Mittel, mit denen wir unsere wohlerworbenen Bedürfnisse stillen.
Tag 14: Flattnitz – Turracher Höhe
Heute könnten wir mit dem Sessellift den Aufstieg auf den Hirnkopf abkürzen. Tun wir natürlich nicht, wir bleiben der 09er-Markierung treu und marschieren brav über die Haidnerhöhe zum Hirnloch.
Heute hüllen sich die Gipfel wieder im Nebel. Doch es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis uns wieder die Sonne hold ist. Oder?
Nein, leider bleibt uns der Nebel heute sehr lange erhalten. Er gibt zwar zwischenzeitlich den Blick in die eine oder andere Richtung frei, doch die meisten Gipfel erleben wir heute ohne Aussicht. Das Panorama können wir nur erahnen.
Dafür macht der Lattersteig im Nebel einen umso alpineren Eindruck, die düstere Stimmung lässt den Grund für das Vorhandensein der kleinen Schutzhütte unter der Lattersteighöhe erahnen. Überhaupt zeigen sich die Nocke hier erstaunlich schroff.
Trotzdem ist der Weg gut zu gehen, die Wegfindung auch im Nebel unproblematisch. Nach der Lattersteighöhe (2264 m) folgt die Bretthöhe. Hier stehe ich am mit 2320 m höchsten Punkt des gesamten Salzsteigwegs.
Von nun an geht’s also bergab?
Weit gefehlt, denn zwischen den nun folgenden, im 09er-Ranking die Plätze zwei und drei belegenden, Gipfeln taucht der Weg immer wieder weit ab. Auf Hoazhöhe (2319 m) und Kaserhöhe (2318 m) folgen Gruft (2232 m) und Schoberriegel (2208 m). Immerhin, die Gipfel werden von Mal zu Mal niedriger.
Ein schöner Steig führt hinunter zur Sonnalm. Anstatt geradeaus weiter in den Ort zu gehen, wende ich mich nach links und marschiere am Grünsee vorbei zur Karlhütte auf der Kärntner Seite der Turracher Höhe.
Seit der Bretthöhe war ich alleine unterwegs, Hans und Grete haben einen anderen Abstieg gewählt. Mit dem Hüttenschlüssel ausgestattet, kann ich es mir aber bereits in der warmen Stube gemütlich machen. Geschmaust wird heute jedoch auswärts.
Tag 15: Turracher Höhe – Wiedweg
Heute lacht von der Früh weg die Sonne! Somit habe ich – abgesehen von der bescheidenen Öffi-Anbindung der Turracher Höhe – einen weiteren Grund, noch einen Tourentag dranzuhängen. Seit meinem Abmarsch im Ennstal ist mittlerweile eine Woche vergangen.
Erst muss ich den Ort Turrach durchqueren, was mir immerhin einen Bankomatbesuch ermöglicht. Wieder im Steirischen verlasse ich die Straße, durchquere einige Feriensiedlungen und finde mich bald auf schönen Wegen über einsame Almen wieder.
Diese Abgeschiedenheit hätte ich mir direkt neben einem Fremdenverkehrsgebiet nicht erwartet. Zwei Almhütten passiere ich am Weg zur Pregatscharte, doch keine Menschenseele kreuzt meinen Weg. Nur die Kühe auf der Winkleralm marschieren gerade zum Futtertrog und nehmen mich für einige Minuten in ihr Rudel auf. In der Pregatscharte wendet sich der Weg schließlich endgültig ins Kärntnerische.
Ein kurzes Stück muss ich hinunter, das stört mich aber weniger als der anschließende Aufstieg auf der Nockalmstraße. Aber es ist früh am Tage, so herrscht noch wenig Verkehr und ich gebe mein Bestes, das Tempo ein wenig zu erhöhen. Eine kurze Einkehr in der Priesshütte macht den Asphaltabschnitt halbwegs erträglich.
Nicht viel später wird das Wandererlebnis wieder durch Almwege und Kuhherden geprägt. Nach dem knackigen Aufstieg in die Breite Scharte liegt eine schöne Höhenwanderung zum Gipfel des Falkert vor mir. Tief unten liegt Bad Kleinkirchheim, diesen bekannten Wintersportort kann ich nun endlich geografisch zuordnen. Weitwandern schließt die Lücken meiner Schulbildung!
Der Falkert bietet ein traumhaftes Panorama, sooo viele Nockberge! Diese Gegend fasziniert mich immer mehr. Im Süden zeigen sich die Julischen Alpen, im Osten reicht der Blick bis zur Koralpe. Nur die Hochalmspitze in den Hohen Tauern ziert sich und hüllt sich leider in Wolken.
Ich kann mich kaum satt sehen, doch mit dem Rödresnock wartet noch ein weiterer Gipfel auf mich – im Gegensatz zur Spitze des Falkert eher ein runder, unspektakulär wirkender Berg. Dafür habe ich diesen heute ganz für mich alleine, keine facebookende und Selfie-machenden Wanderer stören mich hier! Die Aussicht ist jedoch um nichts weniger gewaltig.
Leicht fällt mir der Abschied von hier oben nicht, denn nach dem nun folgenden Abstieg wird meine Wanderung am Salzsteigweg nach acht Tagen und 195 Kilometern am Stück heute Abend in der Ortschaft Wiedweg enden.
Eine Nacht darf ich noch auf der Karlhütte verbringen, es gäbe an diesem Abend ohnehin kein Fortkommen mehr aus Wiedweg. Mit der Murtalbahn fahre ich am nächsten Tag gemütlich heimwärts.
Drei Tagesetappen sind noch offen am 09er. Aber angesichts der pessimistischen Wettervorhersage kann ich durchaus zufrieden sein, überhaupt so weit gekommen zu sein. Der Sommer 2014 erfüllt sicher nicht alle Erwartungen und wird von ZAMG und Co. auch noch schlechter geredet als er tatsächlich ist. Trotzdem muss man sich nur vor die Türe trauen, irgendwas geht immer!
Hallo Gert
Schon gespannt deine Fortsetzung erwartet, hast ja nun einen der schönsten Abschnitte des 09er bestritten. Auch wir waren von den Nockis begeistert und das Ganze wurde vom Treffen mit Hans und Aufenthalt bei ihm auf seiner gemütlichen Hütte getoppt.
Ein Erlebnis mit allen Sinnen sozusagen, Kärntner Kasnudeln und Villacher Bier, Herz was willst du mehr ;- )
Die endlosen Weiten und immer wieder traumhaften Panoramen einfach sagenhaft.
Bei der Pregatscharte sind wir allerdings einem anderen Weg gefolgt als du, in dem Bild von dir geht dort ein Steig links weg und ist auch als 09er so markiert, darauf gehts in einem Bogen ins Rosental und man verliert hier kaum an Höhe und vermeidet dadurch den öden Aufstieg auf der Straße bis zur Prießhütte und kommt erst direkt daran wieder auf die Straße welcher man nun zwei Kehren folgen muß.
Ab der Falkertscharte mussten wir auch wieder umplanen, den es hatten sich Richtung Norden ziemlich dunkle Wolken zusammen gebraut und schon am Falkert hatten wir wenig Aussicht, so folgten wir dem Weg Richtung Totelitzen und so ersparten wir uns den Aufstieg zur Rodresnock und wie sich später herausstellte war die Entscheidung richtig. Als wir den ausgesetzten langen Rücken hinter uns hatten und den schützenden Wald erreichten, setzte ein ziemlicher Wolkenbruch ein und da Hans für uns ein Quartier direkt in Bad Kleinkirchheim reserviert hatte war der direkte Abstieg auch nicht so verkehrt.
Von hier ging es für uns die nächsten zwei Tage bis Villach, die letzte Etappe bis Arnoldstein haben wir ausgelassen, vielleicht starten wir von hier über diesen Abschnitt einmal weiter auf den 03er.
Die erste Etappe vom Sternstein bis zu uns (Untergeng) haben wir übrigens letzten Sonntag absolviert, so mit ist er jetzt fast komplett der 09er.
Lg
Andi
Deine Variante ab der Pregatscharte ist sicher die bessere und schönere Alternative, dass mir das auf der Karte nicht aufgefallen ist…