Von einer Überschreitung des Toten Gebirges zu sprechen, wäre vermessen.
Einerseits streifen wir nur dessen südöstlichste Ausläufer und andererseits ist die Vegetation dort keinesfalls so karg wie der Name vermuten lässt.
Trotzdem ziehen wir durch eine der schönsten und einsamsten Landschaften, welche sich an der steirisch-oberösterreichischen Grenze finden lassen. An diesen beiden Tagen wird mir mehrmals der Ausspruch Das wär ein toller Zeltplatz! entfahren…
Ein wenig vorbereitende Transportlogistik ist leider nötig. Die Tour ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwar gut machbar, nur unser Timing ist schlecht. Daher treffe ich Hans am Bahnhof von Wörschach. Ein Auto parken wir dort, das zweite bringt uns durch den Bosrucktunnel ins Stodertal.
Ein Zimmer ergattern wir direkt im Ortszentrum, für alles, was wir heute noch brauchen, müssen wir lediglich die Straßenseite wechseln.
Mitten im Ort Hinterstoder befindet sich ein scheinbar überdimensioniertes rotes Kreuz. Das letzte Mal bin ich diesem noch in seiner Eigenschaft als Gipfelkreuz am Großen Priel begegnet.
Ein heftiger Gewittersturm hat es tatsächlich geschafft, die sehr massive Konstruktion zu knicken. Es musste komplett erneuert werden, das Original ziert seither das Zentrum von Hinterstoder.
Tag 6: Hinterstoder – Hochmölbinghütte
Das Prielkreuz steht direkt bei der Haltestelle, wo Helen und ich im Mai beinahe vergebens auf den (Ruf-)Bus gewartet haben. So können wir nahtlos an die vergangene Etappe anschließen. Helen kann uns diesmal kurzfristig leider nicht verstärken.
Ehe wir den Aufstieg zur Türkenkarscharte beginnen können, müssen wir ans hintere Ende des Stodertals gelangen. Von den sieben flachen Kilometern erwarten wir uns nicht allzu viel, doch der Abschnitt entlang der jungen Steyr entpuppt sich als kleines Schmuckstück. Würde ich in Hinterstoder wohnen, wäre das ab sofort meine Lieblingslaufstrecke.
Als wir einen Bauernhof durchqueren stoppen wir kurz. Während Hans im Rucksack kramt, nähert sich der wohl für diesen Hof allein zuständige Seniorbauer, ausgestattet mit Gummistiefeln und langem Rauschebart. Erst sind wir nicht sicher, ob er mit uns ins Gespräch kommen will oder kann.
Doch beim wiederholten Versuch, den Smalltalk in Gang zu bringen, kann er den Schelm hinter seinen wachen Augen nicht mehr verbergen:
Hans: Wie lang haltet’s Wetter?
Antwort: Bis regn’t!
Wir plaudern über das Woher und Wohin, er offenbart umfangreiche Kenntnisse über die Weitwanderwege in Österreichs und drumherum. Trotz seines hohen Alters beweist er Weitblick, als wir den von ihm vorgeschlagenen Trans-Europamarsch auf unsere Pension verschieben.
Wölche Pension?
🙁
Durch die vielen Fotopausen brauchen wir tatsächlich zwei Stunden bis wir das – etwas angestaubte – Hotel Dietlgut im Talschluss erreichen. Ein letztes Mal queren wir die Steyr, gleich danach macht der Weg eine signifikante Biegung. Nach oben!
Der Aufstieg währt von 656 m auf 1741 m Seehöhe. Doch es tut gut, in höhere Gefilde vorzustoßen, denn die Temperaturen steuern mittlerweile auf Bereiche jenseits der Wohlfühlzone zu.
Unser erstes Zwischenziel ist die Almhütte Schaffereith. Dort bedarf es keiner Worte, Hans und ich sind uns sofort einig: Hier wird eingekehrt. Unser Flüssigkeitshaushalt will schließlich in Balance gehalten werden.
Danach wird der Weg steiler, durch den Wald kommen wir hinauf in den Bereich der Peterhoferalm, wo wir hinaus auf eine Almwiese treten. Zeltplatzalarm! Am weiteren Aufstieg bis zur Türkenkarscharte haben wir weichen Almboden unter den Füßen.
Knapp vor der Bärenalm mache ich einen Sidestep auf einen Aussichtshügel, Hans lässt sich in der Zwischenzeit bereits einen Radler servieren. Auch auf eine kräftigende Portion Nudeln werden wir von den freundlichen Almbewohnern eingeladen.
Für Unterhaltung sorgt der hiesige Hund, der sich gerne als Herr über die Kühe gebieten möchte. Allerdings verlässt ihn schlagartig der Mut sobald sich kein Zaun zwischen ihm und den Weidetieren mehr befindet.
Hundert Höhenmeter fehlen uns noch bis zur Türkenkarscharte. Der dortige Zaun markiert die Landesgrenze zwischen Oberösterreich und der Steiermark. Das erste der drei am Salzsteigweg beteiligten Bundesländer lasse ich nun hinter mir.
Während wir zu den Grimmingböden absteigen, lauert schon die nächste Einkehrmöglichkeit. Bei der Grasseckalm warten gekühlte Getränke im Brunnen, Servicepersonal ist keines anwesend. Es herrscht Selbstbedienung, bezahlt wird bei der Kassa an der Hüttenwand!
Die Einsamkeit in den Grimmingböden versetzt mich plötzlich wieder auf den John Muir Trail zurück. Die Landschaftsformen der Sierras waren zwar um Größenordnungen bigger, das Gefühl der Abgeschiedenheit des Trails ist aber auch hier spürbar. Unter drei Stunden Fußmarsch ist dieser schöne Ort nicht zu erreichen.
Wir lassen uns ausgiebig Zeit, den Platz zu genießen. Die vielen Blumen sind ein idealer Spielplatz für den Makromodus der Kamera.
Von der Hütte trennt uns noch ein Aufstieg im Wert von 250 Höhenmetern, ab der Sumperalm geht es jedoch nur mehr bergab.
Der Tag findet seinen Abschluss im Gastgarten der Hochmölbinghütte bei einem Steirischen Chili – zubereitet mit Käferbohnen. Dieses peppen wir mit einem rötlichen Gewürz dermaßen auf, dass Hans persönlich um Getränkenachschub läuft und dabei im Gesicht des nepalesischen Kochs ein mitleidiges Grinsen erkennen will.
Trotz wackeliger Prognose war uns das Wetterglück heute durchwegs hold. Punktgenau als wir nach dem Abendessen den Löffel weglegen, beginnt es jedoch wie aus Kübeln zu schütten. Somit kann in der Früh die Sonne wieder scheinen!
Tag 7: Hochmölbinghütte – Wörschach
Die Nacht im Lager verläuft unruhig, mein Wanderkumpan hat die seltene Gabe binnen Sekunden einschlafen zu können. Und daran muss er selbstverständlich seine Zimmergenossen lautstark teilhaben lassen!
Die feine Hütte verlassen wir ungern, doch eine kurze Etappe liegt heute noch vor uns. Zuerst wechseln wir hinüber zur Schneehitzalm. Der Nebel im Ennstal zeigt uns, dass wir uns heute nicht zu beeilen haben und besser hier heroben die Sonne genießen sollen.
Als wir uns schließlich doch an den Abstieg zur Bärenfeuchtalm wagen, scheint der Nebel vor uns zu flüchten. Denn er löst sich schneller auf als wir Höhenmeter zunichte machen können. Ein paar schöne Nebelstimmungen sind uns am Weg trotzdem vergönnt.
Der Dolm würde wohl viel in die Tatsache interpretieren, dass uns eine versäumte Abzweigung zum Schamanen gebracht hat. Doch wir waren einfach nur ins Gespräch vertieft – passenderweise zum Thema “freies Gewerbe”. Und er ist wohl der freieste von allen 😉
Übrigens hat er eine durchaus unterhaltsame Homepage. Ich bitte jedoch um Verständnis, dass ich diese nicht mit einem direkten Link aufwerten will. Google is your friend.
Den krönenden Abschluss unseres Weges bildet die Wörschachklamm. Die Niederschläge der vergangenen Nacht haben nicht nur den Wasserspiegel kräftig ansteigen lassen, auch eine erkleckliche Anzahl Touristen wuselt uns hier entgegen.
Beim Klammstüberl folgt die letzte Einkehr, einen Stempel bekommen wir auch. Anschließend haben wir noch Wörschach zu durchqueren und erreichen nach in Summe 34 Kilometern wieder den Bahnhof.
Diese Tour am Salzsteigweg hat wieder einmal Lust auf mehr gemacht, vielleicht gibt es ja schon bald ein Wiedersehen mit dem 09er.
Sollte das Wetter in der letzten Augustwoche nicht stabil genug für die Fortsetzung am Zentralalpenweg sein, wird es mich wohl hierher verschlagen. In drei bis vier Tagen wäre das Murtal zu erreichen, drei weitere brächten mich ins kärntnerische jenseits der Turracher Höhe.
Sehr schöner Eintrag! Macht definitiv Lust das nachzugehen – besonders die schönen Bilder. Es ist tatsächlich bei uns auch ganz schön 😉
Danke für https://twitter.com/gipfelrast/status/502023244749090816. Hab ab morgen 3 Tage Zeit, habe eh mit dem 09er spekuliert, aber mir passt die dann notwendige Unterbrechung bei der Prießhütte nicht, weil dort ab Anfang September wieder nix mehr öffentliches hinfährt.
Ich werde vermutlich morgen nach Bleiburg fahren und dir am 03er hinterherlaufen. Oder erst Freitag für 2 Tage die NÖ-Runde fortsetzen. Bin noch unschlüssig.
Nächste Woche hab ich vermutlich Do, Fr Zeit und hätte 2 Tage 02er (auch die für mich letzte Chance heuer öfftl zur Kölnbreinsperre zu kommen) vor. 09er ab St. Peter geht da nicht, weil von Flattnitz nichts öffentliches fährt. Evtl falls du da grad die letzten 2 Tage noch vor dir hast und das Wetter für die Hohen Tauern nicht gut genug ist, gingen diese 2 Tage, da kriegast dann noch eine Standortanfrage von mir ;).
Ergibt sich somit leider eher nicht. Schade. Viel Spaß jedenfalls!
OK, schade. Aber mal schauen, wie weit ich wirklich komme, bzw. wie lange es mich freut.
Auf Schlechtwetter bei dir möchte ich ehrlichgesagt nicht hoffen, so weit weg ist das nicht 😉
Für mich ist das Kapitel 02er für heuer wohl abgehakt.
Danke fürs Teilen eurer wunderbaren Erlebnisse und Fotos ♥♥♥