Manch einer pilgert nach Mariazell, um für seine begangenen Missetaten zu büßen. Andere wiederum tun das, um ihrem Sündenregister einige Einträge hinzuzufügen…
Nein, halt! What are you thinking? Ich meine natürlich die süßen Mariazeller Lebkuchen! Das Honigbrot ist sicher nicht der schlechteste Grund um die lange Fußwallfahrt nach Mariazell anzutreten, jedenfalls aber eine perfekte Motivation für den langen Weg.
Doch bevor Ernst und ich unsere Zähne in dem berühmten Backwerk versenken können, müssen wir die im vergangenen Jahr offen gebliebene Rechnung mit dem Mariazellerweg begleichen…
Was bisher geschah…
Plan 06B
Tag vier – Durch Peter Roseggers Waldheimat
Tag fünf – Einsame Wege
Tag sechs – Geh auf Asphalt & hupf in Gatsch!
Nach der Tour ist vor dem Schmaus!
Das Beste beider Welten
Was bisher geschah…
In kurzen Worten: 2015 versteckt sich Ehering eines Freundes so lange im Yoga-Studio, dass für seine Wiederfindung eine Fußwallfahrt nach Mariazell ausgelobt wird. Der Ring meldet sich prompt zurück, voller Enthusiasmus marschieren wir los. Doch auf halber Strecke wird das Vorhaben zu Fall gebracht. Die Schuldigen? Nagelneue Wanderschuhe und ein schlecht gelaunter Wettergott.
Zur Langfassung bitte hier entlang…
Die Zeit, sagt man, heilt alle Wunden, auch die Blasen an den Füßen. Trotzdem gerät das Abenteuer ein wenig in Vergessenheit. Exakt 520 Tage nach unserem Abbruch nehmen wir die Fährte des Mariazellerwegs beim Wirtshaus auf der Schanz wieder auf. Samstags verkehrt nicht mal der eine Bus, der uns letztes Mal ins Tal gebracht hat, so kommen Ernst und ich in den Luxus eines Privattaxis durch Brigitte.
Die ja ohnehin in der ganzen Sache ihre Finger mit drin stecken hat. Zumindest einen, im Ehering nämlich, dem dazugehörenden Pendant. Danke fürs Chauffieren zu früher Stunde!
Plan 06B
Der Steirische Mariazellerweg kennt zwei Routen in den hochsteirischen Wallfahrtsort. Hier, beim Wirtshaus auf der Schanz teilt sich der Weg mit der Nummer 06 in zwei Varianten: 06A und 06B.
Erstere über Stangl- und Rotsohlalm darf man getrost als den Normalweg bezeichnen, weit über 90% der Wallfahrer schlagen diese Route ein, auch ich bin sie schon einmal, zweimal gegangen.
Wir entscheiden uns diesmal jedoch für das Minderheitenprogramm, auch weil wir dort mit ganzjährig geöffneten Unterkunftsmöglichkeiten planen können. So setzen wir unserer Dreitagestour nach unserem Abbruch nun weitere drei Wandertage auf einem einsamen Weg drauf.
Vierter Tag – Durch Peter Roseggers Waldheimat
Direkt nach einer veritablen Schlechtwetterperiode meint es der Wettergott diesmal gut mit uns, auf den ersten Schritten verziehen sich sogar die letzten Nebelschwaden. Das schreit natürlich geradezu nach einem Abstecher auf den Teufelstein, von wo wir einen schönen Überblick über die heutige und morgige Etappe haben.
Lange fällt der Weg von dort hinunter in Richtung Alpl, seit meinem letzten Besuch hier sind aus schmalen Wanderwegen, breite, schlammige Forststraßen geworden. Schad’ drum! Eine kleine Zwischensteigung bringt uns hinauf zum Kluppeneggerhof, dem Geburtshaus von Waldbauernbub Peter Rosegger.
Dem steirischen Nationaldichter wurde sogar ein eigener Weitwanderweg von Wien nach Alpl gewidmet. Markiert wurde er jedoch nie, das Schild Kontrollstelle Peter-Rosegger-Weitwanderweg an der alten Waldschule ist eines der wenigen Zeugnisse seiner Existenz.
Der lange Weg nach Krieglach ist übersät mit vielen kleinen Steigungen, die kräftig an unserer Kondition nagen. Die Herbstfarben machen die Hügelserie rund um den Hochgölk trotzdem zum Highlight der heutigen Etappe.
Doch um die Beine bereits in der kleinen Stadt im Mürztal hochzulegen ist es noch zu früh, wir zwacken der morgigen Etappe eine Stunde ab und wandern von Krieglach hinauf zu Gasthof Oswaldbauer, dort ist Schluss für heute.
Fünfter Tag – Lange, einsame Wege
Unserem Wirt scheint es heute ein echtes Anliegen zu sein, uns 20 Minuten Gehzeit einzusparen. Mehrmals gibt er uns den Tipp, den Weg übers Veitschbachtörl zu meiden, und stattdessen über eine Forststraße abzukürzen. Weil dort oben seht’s ihr eh nix…
Doch da täuscht er sich nicht nur in unserer Sturheit sondern auch in der vermeintlich nicht vorhandenen Aussicht. Natürlich bleiben wir der 06er-Markierung treu und freuen uns über Prachtblicke zu Veitsch, Schneealpe & Rax, denn das Panorama wurde erst kürzlich von den Motorsägen der Waldarbeiter aus dem undurchdringlichen Grün des Waldes befreit.
Vorerst haben wir aber ohnehin andere Sorgen: Ganz schön angezogen haben nämlich die Temperaturen über Nacht, also streifen auch wir die dickste Wanderpanier über. Bald aber schon können wir Schicht um Schicht wieder ablegen, langsam hebt uns unser Weg über die Oberkante des Nebels und wir marschieren am Boden einer stahlblauen Himmelskuppel.
Nach unserer aussichtsreichen Pause am Veitschbachtörl wendet sich der Weg nach Westen und bringt uns zielsicher zur Kleinveitschalm, die wir rechtzeitig Saisonschluss erreichen. Denn bereits am Nationalfeiertag werden die Wirte der Grundbauerhütte die Sitzbänke hoch- und die Fensterbalken zuklappen. Erst im Frühjahr braucht man sich hier wieder um Suppe und Getränke anzustellen.
Mit ca. 1500 Metern erreichen wir hier auch den höchsten Punkt zwischen Graz und Mariazell. Gestern war hier noch alles weiß, das konnten wir vom Teufelstein gut erkennen. Heute ist von der weißen Pracht nur mehr wenig über.
Und das ist auch gut so, denn der Reitsteig, unser Weg ins Tal, weist ein Vorsicht gebietendes Gefälle auf. Dabei soll hier schon der Kaiser (so will es die Geschichte, welche in der Hütte am Nebentisch erzählt wurde) hier zur Jagd herauf geritten sein. Wir sind jedenfalls froh über gutes Schuhwerk und Wanderstöcke.
Heute abend kommen wir in den Genuss von Alles-was-du-essen-kannst Büffet, Schwimmbad & Saunalandschaft, da bleiben keine Weitwanderer-Wünsch offen. Das Kinderhotel Appelhof nimmt auch erwachsene Wanderer auf, auch wenn diese in einem Nebengebäude einquartiert werden.
Sechster Tag – Geh auf Asphalt & hupf in Gatsch!
Wer seine Sünden am Weg bis Mürzsteg noch nicht vollständig abgebüßt hat, wird es auf den nun folgenden vier Kilometern mit Sicherheit tun. Zu den Highlights des Mariazellerwegs zählt dieses Stück definitiv nicht: bei jedem Schritt schlägt die Asphaltdecke der Straße aufs Niederalpl von unten gegen die Fußsohlen, dass selbst die vom Wallfahrten weichen Knie keine Linderung mehr verschaffen können. Da sind dann selbst die anschließenden 400 Höhenmeter auf der Forststraße durch den Buchalpengraben eine wahre Freude…
Immer klarer wird uns, dass die 06B-Route nur äußerst spärlich begangen wird. Baumzwischenräume sind oftmals der einzige Hinweis auf den Verlauf des weiteren Weges zum Buchalpenkreuz, die Vegetation rückt dem Weg von beiden Seiten zu Leibe und das Herbstlaub hat die letzten noch sichtbaren Spuren unter sich begraben.
Wie bekannt, straft der Herrgott kleine Sünden sofort (ich weiß zwar nicht, was ich angestellt habe, aber es wird schon seine Richtigkeit haben…) und in der Nähe von Schöneben passiert mir ein kleiner Ausrutscher. Unvermeidlich mache ich nähere Bekanntschaft mit dem schlammigen und daher auch rutschigen Untergrund. Anschließend bin ich sehr froh, eine Garnitur Wechselwäsche dabei zu haben, um nicht mit brauner Hose nach Mariazell…
Auf den letzten Kilometern sieht man es meinem Wanderpartner bereits an: die ganz große Freude am Wandern ist bereits schmerzenden Fußsohlen und müden Beinen gewichen. Aber sobald das Foto an der Ortstafel geschossen und die Basilika ins Blickfeld gekommen ist (gemeinerweise tut sie das erst ganz am Ende des Countdowns), kann uns nichts mehr aufhalten…
Zufrieden und erschöpft sitzen wir auf den Bänken vor der Kirche, bevor die finalen Pflichten zu erfüllen sind. Während Ernst ein Kerzerl anzündet, genieße ich draußen die Sonne und klatsche lediglich an der Kirchentür ab. High five! Auch wenn ich’s mit der Religion nicht so hab, ist es immer wieder schön hier anzukommen. Zu Fuß war ich mittlerweile bereits öfter in Mariazell als mit dem Auto.
Nach der Tour ist vor dem Schmaus…
Jetzt haben wir uns die schmackhaften Mariazeller Lebkuchen wahrlich verdient! Die Auswahl ist endlos, welcher Spruch am Herz darf’s denn sein? Kreative Vorschläge in den Kommentaren willkommen!
Das Beste beider Welten…
Die Frage, die steirische Mariazellpilger seit jeher bewegt, ist folgende: Welche ist nun die schönere der beiden Route nach Mariazell? 06A? 06B?
Wer es nicht eilig hat, dem empfehle ich eine Kombination aus beiden Wegen. Bei der Teilung auf der Schanz sollte man (so wie wir dieses mal) die weniger begangene Route 06B wählen und dabei auch dem Teufelstein einen Besuch abstatten. Danach in Peter Roseggers Waldheimat steirisches Kulturgut tanken und den Tag über die Hügelkette des Hochgölk nach Krieglach beschließen.
Jenseits des Mürztals steht der lange Rücken zum Veitschbachtörl und weiter zur Kleinveitschalm in Einsamkeit und Schönheit der 06A-Route zur Rotsohlalm um nichts nach. Doch anstatt nach Mürzsteg abzusteigen, empfehle ich, weiter zu gehen auf die Hohe Veitsch und dort sowohl Sonnenunter- als auch -aufgang zu genießen
Am nächsten Tag wird direkt aufs Niederalpl abgestiegen um dort die Spuren der Variante 06A aufzunehmen. Über die schöne Herrenbodenalm wird Schöneben erreicht, wo sich die zwei Routen wieder vereinigen. Dies ist zwar die längste, aber mit Sicherheit die schönste Tour, welche sich aus den steirischen Mariazellerwegen basteln lässt.
Worauf wartest du also noch? Ja, genau DU!
Sehr gute Idee, die beiden Routen zu kombinieren!
Ich werde es das nächste Mal ausprobieren. Für diesmal war es leider keine Option, da das Meran-Haus schon zu ist (und zuviel Schnee wäre wohl auch gewesen).
Wow so schöne Herbstbilder – da sieht man, warum das meine liebste Jahreszeit ist.
vielen Dank
lg Claudia
Ja, da haben wir wirklich einen guten Zeitpunkt erwischt. Ich mag es besondern, wenn auf den Bergen schon (oder noch) ein bissl Schnee liegt.
Das Sonnenwaldbild ist sensationell!
Das ist der Vorteil, wenn man an der Nebelobergrenze wandert.
Und der Tipp für die Kamera (Handy) kam ja eh von dir IIRC.
Ganz ehrlich: Die Waldbilder haben mich umgehauen – vor allem das, wo die Sonne durch die Bäume bricht. Ich musste wirklich innehalten und habe einigen Minuten nur auf dieses Bild gestarrt – ja, ich habe wirklich gestarrt! Ganz großes Kino!
Ich bedanke mich und übersende beste Grüße
Janine