Die in den letzten Jahren liebgewonnene Tradition, ein paar Tage auf einem Weitwanderweg zu verbringen (2007: Graz – Mariazell, 2008: Bad Radkersburg – Bleiburg) möchte ich auch heuer pflegen.
Schon im Sommer habe ich einige Anläufe unternommen, die Anstrengungen wurden jedoch immer durchkreuzt: Die Lust an der Fortsetzung der Tour in Bleiburg vermieste mir eine Schlechtwetterfront, eine Tour am Nord-Süd-Weitwanderweg von Leoben nach Eibiswald hat Orotl vereitelt, indem er das Zauberwort „Klafferkessel“ sprach.
Berufliche Verpflichtungen lassen den Oktober in Land ziehen, bis ich mir ein verlängertes Wochenende freinehmen kann. Nun gilt es das Zeitbudget von 4 Tagen gut zu nützen. Gegen den 05er sprechen die bereits geschlossenen Hütten, die Fortsetzung des 03ers ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur sehr umständlich zu machen.
Somit fällt die Wahl auf den Mariazellerweg. Der Abschnitt Griffen – Graz dürfte die längste machbare Option zu sein, auch wenn der Führer von acht Tagesetappen spricht. Also geht’s von Griffen aus nach Hause. Planung und Durchführung wie folgt:
1. Tag: Anreise, Griffen – St. Paul – Lavamünd
2. Tag: Lavamünd – Soboth – Eibiswald
3. Tag: Eibiswald – Schwanberg – Deutschlandsberg – Stainz
4. Tag: Stainz – Mooskirchen – Graz
Karte und Führer hab ich zwar grob überflogen, aber im großen und ganzen wird es ein Marsch ins Blaue. Falls ich mich mit den Etappen übernommen haben und es nicht ganz bis Graz schaffen sollte, what shall’s? Vier Tage die Wanderschuhe unter den Füßen haben, darum geht’s mir, um sonst nichts. Und ab Stainz kenn ich den Weg sowieso schon.
Tag 1: Griffen – St. Paul – Lavamünd
Per ÖBB Intercity Bus geht es nach Wolfsberg, von dort per Postbus nach Griffen. Ankunft 9:08 Uhr, nicht zu spät, heute gibt’s ja eh nur eine kurze Etappe. Schon nahe der Bushaltestelle der erste Wegweiser des 06ers „Lavamünd 7h“. Ja, das reicht zum Aufwärmen.
Die Stadt wird auf ein paar Nebenstraßen verlassen, bald beginnen sie zu steigen und scheinbar im Nebel, der im Tal noch herumliegt, zu verschwinden. Nicht lang, und ich habe Waldboden unter den Füßen! Der Spaß beginnt.
Über mehrere kleine Hügel führt der Weg, bis ich bei der Weinbergkapelle die erste Pause mache und auf einem Wegweiser entdecke, dass mir die „Sieben-Hügel-Wanderung“ bei St. Paul bevorsteht. Da werden Erinnerungen an einen Betriebsausflug vor vielen, vielen Jahren wach…
Damals hat uns unser Betriebsrat über diesen Weg geschickt, (Motto: „Wanderung zur Buschenschank“) ohne vorher zu erkunden, wie der Weg beschaffen ist. Die Sieben Hügel haben es nämlich in sich, die Steigungen sind schön knackig. Mir hat’s damals gut gefallen, da aber viele als Halbschuhtouristen unterwegs waren, gab es viele „Ausfälle“, die mit dem Bus wieder eingesammelt werden mussten, weil sie einfach links und rechts ins Tal abgestiegen sind.
Heute waren die Hügel – welche Zählweise zur Zahl Sieben führt, konnte ich nicht ergründen – nur durch die mittlerweile kräftig gestiegenen Temperaturen eine Herausforderung, aber am Johannesberg wartet eh der Wirt. Dort angekommen, entschließe ich mich (angesichts des reichlich vorhandenen Zeitbudgets) zum Abstieg ins Tal nach St. Paul um einen Blick auf das Stift zu werfen – und eine Stiftstaverne wird’s dort ja wohl auch geben, oder?
OK, beim Stift angekommen hupft mich keine Taverne an, will ich wirklich da im Ort herumsuchen und unnötig Asphaltkilometer sammeln?
Nein, will ich nicht, also steige ich gleich wieder (auf anderer Route) zum Johannesberg auf, und freue mich bereits auf ein Schnitzerl beim Johannesmessner, an dem ich vorher etwas übermütig vorbeispaziert bin.
Setze mich also in den Gastgarten und warte. 5 Minuten. 10 Minuten. Nichts passiert. Als Pausenprogramm kommt eine Gruppe Schülerinnen den Berg heraufgelaufen, stürmt das Gebäude, stürmt wieder heraus und verschwindet. Eine Augenweide zwar, aber eine Magenweide würde mir im Moment eher weiterhelfen.
Als ich nach 20 Minuten endlich einen Apfelsaft bestellen kann, beschließe ich, auf ein Schnitzerl sicherheitshalber nicht zu warten. Dieses wird also auf den Abend verschoben.
Später führt der Weg mitten durch einen Hof, bei dem ich das Gefühl habe, gleich im Wohnzimmer des Bauern zu stehen. Kurz verunsichert konsultiere ich die Karte, da steht auch schon ein altes Mandl vor mir, fragend wohin die Reise gehen soll. Lavamünd!
„Jo, do links owi und dann bist auf da Stroßn noch Lavamünd“. So hab ich mir das nicht vorgestellt, und frage, ob ich eh auch durch seinen Hof gehen könnte. „Jo sicha, do is oba lei a Gatsch“. Macht nix, besser Gatsch als Asphalt, trotzdem wird’s ein langer Abstieg nach Lavamünd.
Lavamünd ist gar nicht so klein, wenn man es zu Fuß durchqueren muss. Bis zum Hüttenwirt (der uriger klingt als er ist) am anderen Ende der Stadt sind es 20 Minuten, für den Weitermarsch am nächsten Tag ist der Wirt aber gut gelegen.
Endlich! Radler, Cordon Bleu, Bett! Alles meins!
Während ich mein verdientes Abendessen verspeise, zieht wieder eine ansehnliche Gruppe Damen vorbei, der Altersschnitt etwa um den Faktor drei gestiegen. Dem Grund dieses konspirativen Treffens im Nebenraum gehe ich aber nicht mehr auf den Grund.
Wann es denn morgen Frühstück gibt? „Schon früh, weil wir haben 5 Busse morgen“. Welchen Einfluss irgendwelche Busse auf mein Frühstück haben sollen, erfrage ich nicht mehr.
Tag 2: Lavamünd – Soboth – Eibiswald
Ich erfahre es um 7 Uhr, als es im Frühstücksraum nur so „wurlt“. Eine Hundertschaft – scheinbar wieder um den Faktor drei gealterter – Pensionistinnen vergreift sich am Frühstücksbuffet für Hausgäste (also an meinem!). Vor dem Haus die versprochenen Busse. Bitte, wer lässt sich um diese Zeit zum Frühstück nach Lavamünd kutschieren?
Doch ich halte mich nicht länger als notwendig mit dem Frühstück auf und mache mich auf den Weg. Ein langer Aufstieg in Richtung Soboth erwartet mich. Dieses Teilstück des Weges kenne ich schon, auf der Tour entlang des Südalpenwegs bin ich ihn schon in die Gegenrichtung begangen.
Ein wenig frage ich mich, ob ich mich mit dieser Etappe nicht übernommen habe, schließlich warten laut Wanderführer 1900 Hm verteilt über 39 km und der Wetterbericht ist nicht der Beste.
Der Aufstieg geht schneller als gedacht, schon bald stehe ich am sogenannten Weintrattl, wo sich der 03er nach rechts Richtung Hühnerkogel verabschiedet. Ich gehe links hinab bis ich am Fuße der Staumauer des Sobothstausees stehe.
Bald erreiche ich nach mehr oder weniger leichtem Auf und Ab (man ist ja schon einiges gewöhnt) in den Ort Soboth. Kurz vor dem Ziel beginnt es zu nieseln, so bin ich doppelt froh, endlich einkehren zu können.
Nach einer guten Mahlzeit geht es angenehm abwärts zum Krumbach, der auf einer beschädigten Holzbrücke überquert wird. Gleich darauf beginnt die Steigung nach Rothwein und weiter auf den Haderniggkogel, wo ich falsch abbiege und erst nach einigen 100 Metern merke, dass etwas nicht stimmt.
Zurück und dann den richtigen Weg erwischt und der lange Abstieg Richtung Eibiswald beginnt. Ein tw. sehr verwachsener Waldweg, doch immer wieder sehe ich Pferdespuren und wundere mich, wer hier freiwillig reitet.
Das Rätsel löst sich erst einige Kilometer weiter, als ich eine Straße erreiche. Dort stehen die Reiter und wurden gerade mit SUV samt Pferdeanhänger abgeholt. Wie sich herausstellt, sind auch sie am Haderniggkogel falsch abgebogen und den falschen Weg ins Tal genommen. Seltsam, den Weg den ich übersehen habe, haben sie versehentlich genommen…
Mittlerweile ist es schon finster, doch es warten noch ein paar Kilometer Abstieg nach Eibiswald, die ich aber gut hinter mich bringe. Dort gestaltet sich die Quartiersuche überraschend schwierig, was am Weinlesefest in Gamlitz liegt. Doch nach mehreren „tut mir leid, wir sind voll“, scheine ich dann doch das letzte Bett im Ort zu bekommen.
Am Abend zeigt das GPS über 43 km, mehr als erwartet, was ich ein wenig dem Umweg am Haderniggkogel und etwas mehr der Quartiersuche in Eibiswald zu verdanken habe.
Tag 3: Eibiswald – Schwanberg – Deutschlandsberg – Stainz
Für 8:10 Uhr war der Treffpunkt mit RandomTox beim Postamt in Eibiswald ausgemacht, er sollte dort aus dem Postbus aussteigen. Doch schon um 8:05 Uhr ruft er an und meint, dass heute – entgegen der Fahrplaninformation – kein Bus fahren würde. So würde er mir vom Bahnhof Wies einfach entgegengehen.
Also mache ich mich allein auf die Socken und staune nicht schlecht über einen Wegweiser, der mir schon das Endziel meiner Wanderung anzeigt: “Graz – 20h”. Wenn das mal nicht motivierend ist.
Ich verlasse Eibiswald nach Norden, und nehme bei einer der ersten Möglichkeiten im Wald eine falsche Abzweigung. Nach ein paar hundert Meter wendet sich der Weg aber in die ganz falsche Richtung, somit ist es eh schnell klar. Ich gehe zurück und erkenne, dass der “richtige” Weg ziemlich verwachsen ist und ich blind einer neuen Traktorspur gefolgt bin.
Nach der Durchquerung einer Siedlung kommt mir auch schon RandomTox entgegen, der mir auf der heutigen Etappe beistehen wird. Wir durchqueren Vordersdorf, steigen hinauf zum Wh. Hochmasser und durch den Wald hinab zum Schloss Limberg und weiter nach Schwanberg.
Nach den Erfahrungen vom Vorabend versuche ich zwischenzeitlich ich mein heutiges Nachtquartier in Stainz zu organisieren, was nicht so einfach ist, auch Stainz ist ausgebucht. Doch die Dame vom Tourismusbüro verspricht mir, ihr bestes zu tun und nach einer halben Stunde bestätigt sie mir ein Zimmer beim Schlosstoni, auf dessen Küche ich mich besonders freue.
Nach Schwanberg wird der Weg leider sehr asphaltlastig, der ewig erscheinende Anstieg zur Wolfgangikirche wird aber oben durch die herrliche Aussicht und einen schönen Abstieg nach Deutschlandsberg belohnt.
Danach geht es via Wildbach nach Bad Gams, wo wir ein verspätetes Mittagessen einnehmen. RandomTox verabschiedet sich, geht zurück nach Deutschlandsberg, um mit der Bahn wieder nach Hause zufahren. Den letzten Bus in Stainz zu versäumen, will er nicht riskieren. Ich hingegen mache mich – mit mittlerweile brennnenden Fusssohlen – an den Aufstieg zur Stainzer Warte, dem letzten Gipfel für heute.
Die Etappe heute dauert doch länger als gedacht, meine Stirnlampe kommt schon beim Abstieg von der Warte zum Einsatz und nach der Durchquerung des Orts Kothvogel geht es hinab nach Stainz. Leider liegt der Schlosstoni am am anderen Ortsende, so passiere ich das Schloss Stainz und gehe noch ein Stück der morgigen Etappe, bis ich um 20 Uhr vor dem Gasthaus Schlosstoni stehe.
Doch – oh Schreck – alles finster und die Tür verschlossen? Was soll das?
Letztlich finde ich dann doch Einlass, aber zu meinem Entsetzen ist die Küche bereits geschlossen und so muss ich ohne Abendessen auf mein Zimmer, wo ich aber ohnehin sofort einschlafe. Vorher nehme ich mir noch vor, das Versäumte morgen beim Frühstücksbüffet aufzuholen…
Tag 4: Stainz – Söding – Graz
Diesen Teil des Weges bin ich heuer schon auf zwei Etappen gegangen, daher weiss ich was mich erwartet und kann mir alles gut einteilen. Der Asphaltanteil ist heute wieder deutlich geringer, was das Gehen viel angenehmer macht.
In leichtem Auf und Ab geht es über St. Stefan, Mooskirchen, Söding und Attendorf bis zu den südlichen Ausläufern des Buchkogels. Hier könnte ich schon nach Seiersberg zum Bus abkürzen, doch der 06er biegt nach Norden ab. Durch wohlbekanntes Gelände geht es zur Rudolfswarte am Buchkogel, von dort weiter zu St. Johann und Paul, Steinbergstraße und Herrgott auf der Wies.
Hier beginnt der letzte Abstieg nach Eggenberg. Dieser zieht sich erstaunlich lange, doch irgendwann komme ich hinter dem bekannten Schloss in die Stadt. Meine Wanderung endet dann ein wenig plötzlich, nämlich mit einem Sprint zur gerade einfahrenden Straßenbahn. Schon eingestiegen, schiebe ich meine Wanderstöcke zusammen, setze mich hin und bin plötzlich wieder in einer anderen Welt – Die Stadt hat mich wieder…
Den Steirischen Mariazellerweg hab ich jetzt komplett, nur Variante 06B über Mürzsteg ist noch offen. Vom Kärntner Teil fehlt mir noch der Abschnitt von Klagenfurt nach Griffen. Der sollte sich an einem gemütlichen Wanderwochenende “erledigen” lassen.
Wir werden sehen, was 2010 alles bringt. Update: Bis 2015 dauert’s dann doch…